Im März jährte sich meine Anmeldung bei Pixelfed, dem offenen Instagram-Klon, bereits zum dritten Mal. Höchste Zeit, mal ein vorläufiges Fazit zu ziehen.
Die zwei wichtigsten Fragen sollen dabei gleich mal beantwortet werden:
Macht Pixelfed Spaß?
Ja, auf jeden Fall!
Wer seine Bilder auf einer offenen und freien Plattform veröffentlicht, der bekommt schnell eine Ahnung davon, wie erbarmungslos krass man auf Instagram & Co. eigentlich tatsächlich mit Werbung bombardiert wird – und mit den Einlassungen von Menschen, welche diese Behandlung schon viel zu lange über sich haben ergehen lassen.
Auf pixelfed geht es nicht darum, das schönste Leben zu haben, mit den teuersten Klamotten rumzulaufen, den perfektesten Lifestyle zu inszenieren und eifrig Herzchen einzusammeln. Es gibt auch keine tausend Schrott-Accounts, die sich „madeMyDay“, „Faktastisch“, „Lieblingsmensch“ etc. nennen, Timelines mit hohlen Sinnsprüchen und vermeintlichen Witzen überfluten und das Werbetarget laut und aufdringlich zu „Like, wenn Du es kennst!“ und ähnlichem Quatsch mehr auffordern.
Im Gegensatz zur bunten, hohlen Werbewelt von Instagram ist Pixelfed beinahe schon meditativ.
Die Bilder zählen
Tatsächlich erwische ich mich dabei, Bilder auf Pixelfed länger zu betrachten und auch schonmal den „Network“ bzw. „Public“-Feed zu benutzen, um neues zu entdecken… während ich bei Insta immer nur so schnell wie möglich durch hetze und einen ganz großen Bogen um Funktionen mache, die mir potentiell noch mehr Quatsch anzeigen den ich nicht haben will.
Das ist sehr schön, sehr befreiend – und es weckt wehmütige Erinnerungen an die goldene Zeit, als das WWW noch kreativ und alternativ war. Noch besser – es hat durchaus das Zeug dazu, Menschen, welche diese Zeit nicht erlebt haben, zu zeigen, dass es eben auch anders geht.
Tatsächlich ist es auf pixelfed für einen Menschen wie mich noch möglich, allein durch den Inhalt meiner Bilder auf über 200 Follower zu kommen. Auf Instagram – wo ironischerweise wesentlich mehr Menschen unterwegs sind die ich kenne – krebse ich hingegen bei unter 50 rum, und das würde auch noch so sein, wenn meine Bilder mehrere Putlitzer-Preise abgeräumt hätten.
Auch lobenswert (hier spricht der ehemalige Aktfotograf in mir): Das Posten von NSFW-Material ist vorgesehen und wird technisch unterstützt. Kein „eine weibliche Brustwarze geht auf keinen Fall, aber Bilder von Kriegsgerät, Knarren, blödem Essen und Frank Thelen sind total töfte“; stattdessen gibt es eine Funktion, mit der man solche Bilder freiwillig als „Sensitive Content“ markieren kann (und soll), damit sie im öffentlichen Fotostream aus- und erst bei explizitem Einverständnis eingeblendet werden.
Ja super, ist es damit eine Alternative zu Instagram?
Tja, leider nur teilweise.
Zuerst die gute Nachricht: Technisch ist pixelfed inzwischen mehr oder weniger stabil. Die Web-Oberfläche ist gut gemacht, jeder der Instagram kennt, wird sich bei pixelfed relativ schnell zuhause fühlen. Und, die Community ist inzwischen groß genug, dass es nicht „nur“ die Bilder von OSS-affinen Entwicklern & Admins die zufällig auch eine Kamera haben zu betrachten gibt, sondern auch Content außerhalb dieser Nische.
Leider leidet Pixelfed (zumindest auf der pixelfed.de-Instanz; andere konnte ich nicht testen) trotzdem noch immer an einigen kleinen und mittelgroßen Kinderkrankheiten, die anscheinend niemand als wichtig erachtet – ein Problem, das es sich mit zahlreichen anderen Open Source Projekten teilt*
Nur ein Beispiel: Hier ist ein Pixelfed-Bild mit null Kommentaren:
Tja, dann aber einmal drauf geklickt, und siehe da:
Im Prinzip ist das natürlich nicht schlimm – nur: solche Fehler passieren öfters, insbesondere obiger ist jetzt schon seit Monaten (oder sind es inzwischen Jahre?) da drin, und keinerlei Meldung brachte eine Verbesserung. Und genau da liegt das eigentliche Problem: Ich hatte insgesamt viermal ein technisches Problem mit Pixelfed, das mich dazu brachte, eine Mail zu schreiben, und jede einzelne meiner diesbezüglichen vier Mails an die Pixelfed-Admins blieb unbeantwortet.
Ja, ich weiss, was ihr sagen wollt: „Es ist eben Open Source, fix‘ es doch selbst! Und überhaupt, schau doch mal wann Du ne Antwort von Google kriegst“.
Natürlich gehört es bei Meta, Google & Co. zum guten Ton, User zu ignorieren... aber bei einem Open Source Projekt ist das Problem ein wenig komplizierter, sofern man das Ganze wirklich als eine ernstzunehmende Alternative zu den Großen und Bösen betreiben möchte.
Warum? Weil sich bei einem User, der sich dank des föderierten Gedankens in vermeintlicher Nähe zum Plattformbetreiber wähnt, so noch viel schneller das Gefühl einstellt, nicht ernst genommen zu werden. Im ungünstigsten Fall stellt sich dieser User dann die Frage, warum er eine solche Plattform mit Content füttern soll, er zieht wieder von dannen und lässt sich fürderhin wieder auf Insta influänzen… und das wäre schade.
Das Nischen-Paradoxon
Tja, und dann ist da noch das „Problem“, dass Pixelfed immer noch sehr klein und überschaubar ist. Ich behaupte mal, die meisten Leute sind nicht auf Insta und Facebook weil sie sich die neuesten lustigen Sprüche von LieblingsSpam durchlesen oder gesponsorte Posts anschauen oder hier-liken-wenn-sie-was-wiedererkennen wollen, sondern weil ihre Freunde und Bekannten halt auch dort sind und man sehen möchte was die so anstellen. Und diese Freunde und Bekannte, die findet man eben nicht auf Pixelfed. Man findet sie in Mark Zuckerbergs Dauerwerbesendung.
Vielleicht ist das ein Segen. Vielleicht ist es gut, wenn Pixelfed in der Nische bleibt und die Verkäufer und Blender dieser Welt ihr Heil woanders suchen. Aber ich persönlich würde es gerne sehen, wenn die (wenigen) Leute für deren Leben und Wirken ich mich interessiere, auch auf Pixelfed stattfinden würden; und damit diese Leute dafür einen Anreiz haben, müsste die Plattform nochmal gewaltig wachsen.
Die Voraussetzungen dafür sind da. Die Plattform ist stabil genug, die angesprochenen kleinen Probleme und Widrigkeiten lassen sich auch noch ausmerzen.
Was es nun bräuchte: Mehr Bewusstsein dafür, dass die Plattform existiert. Mehr Artikel wie diesen hier – und das vielleicht an Stellen, wo sie auch gelesen werden.
Und – sollte der Erfolg wirklich eines Tages kommen – was noch viel wichtiger ist: Das Fediverse als Gesamtes braucht einen ausgereiften Plan, wie man damit umgeht, wenn mehr Leute kommen. Wenn auch die Vermarkter und Verkäufer und sonstige Gestalten aus den Löwenhöhlen dieser Welt kommen und eine „Opportunity“ sehen. Denn am Fehlen jeglicher Pläne für den Fall einer feindlichen Invasion scheiterte schon die erste Inkarnation eines einstmals bunten, kreativen WWW.
* bevor die Tux-Jünger nun losrennen und mich shitstormen: Ich bin selbst Entwickler, war (und bin immer noch) an zahlreichen Open-Source-Projekten beteiligt und habe schon Open Source gemacht als die meisten von euch noch nicht das Alphabet aufsagen konnten. Man kann auch einfach mal zugeben wo die Probleme liegen und OSS trotzdem gut finden.
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