Ein neuer Anfang

Zurück aus dem Krankenhaus und mit einer erfolgreich überstandenen Knie-OP hinter mir (vielen Dank für die guten Wünsche!) habe ich nun etwas Zeit, mich nicht allzu sehr zu bewegen und stattdessen andere Dinge zu tun. Beispielsweise dieses Posting zu schreiben.

Mein Plan ist es, während der Entstehung meines nächsten Albums in lockerer Folge hier über die einzelnen Tracks zu schreiben; was mir so einfällt dazu, und was mir schreibenswert erscheint.

Tjahaa, und dies hier ist Posting Nummer 1. Adam und Eva. Das Alpha-Posting.

Der Anfang.

Ab hier geht es vorwärts.

Doch bevor es das tut, zunächst mal für die Neuhinzugekommenen eine Art FAQ, beziehungsweise ein paar Gedanken darüber, wo wir momentan stehen.

Worum geht es überhaupt?

Es ist eigentlich ganz einfach:

Mein Name ist Stephan, ich bin Musiker, verstehe mich trotz einiger mitunter denkwürdiger Live-Auftritte hauptsächlich als recording artist… und ich möchte gerne ein neues Album aufnehmen, dessen Stil sich vermutlich mit „Elektronische Musik plus Gäste, mit Instrumentals und Songs zum Fühlen und zum Nachdenken“ umschreiben lassen wird.

Wobei, so sicher ist das nicht; was ist schon sicher auf dieser Welt?

Titel und Artwork stehen auch schon fest. Das Album wird „Strategies Against Algorithms“ heißen; im Beitragsbild seht ihr, wie es aussehen wird (die hübsche Illustration ist von Thorolf Holmboe), und die gestalterische und typografische Anlehnung an den Jugendstil ist nicht ganz unabsichtlich geschehen.

(wer dies liest und wirklich gar keine Ahnung hat, was ich mache, der darf sich gerne mein aktuelles Album anhören).

Und was wird das Besondere an Deinem nächsten Album sein?

Mal ganz davon abgesehen, dass es diese Musik in diesem Stil so nur bei mir gibt, wird das Besondere an diesem Album sein, dass ihr es nicht im Internet bestellen können werdet.

Google wird euch keinen Download-Link dafür ausspucken. Ihr werdet nicht darüber stolpern, weil es auf youtube, Insta oder TikTok die Untermalung zu irgendeinem lustigen Clip von irgendeinem Schminke/Daddel/Pferde/Sonstwas-Influänzer ist, ihr werdet es nicht auf Spotify und/oder Apple Music streamen können, und Shazam wird euch nicht sagen können, was es ist.

Es wird online nicht erhältlich sein.

Stattdessen wird dies ein Album werden, für das ihr etwas von euch selbst einbringen müsst, und ich erzähle euch auch noch das Warum und das Was. Weiterlesen lohnt sich also 😉

Och nö, warum denn so kompliziert?

Ich mache nun seit über 30 Jahren Musik, habe mit diversen Projekten etliche Alben veröffentlicht und wurde dabei Zeuge, wie sich die öffentliche Wahrnehmung von Musik von einer Kunstform mit einem gewissen Wert hin zu einer allgegenwärtigen, hochverfügbaren und vollkommen selbstverständlichen Gratis-Untermalung des täglichen Lebens gewandelt hat.

Einst, vor dem grossen Blogsterben, als Blogs wie dieses noch gelesen wurden und das WWW noch nicht zum Spielzeug einer Handvoll Milliardären degeneriert war, da war das Internet für Musiker, die sich – wie ich – in einer gewissen Nische bewegen, ein Geschenk des Himmels. Ein kurzes Zeitfenster lang fanden sich Hörer und Musiker; auch solche, die etwas Neues wagten, etwas Anderes machten, bei den Plattenlabels abblitzten oder sich aus irgend einem anderen Grund in der Nische aufhielten.

Doch der Siegeszug sogenannter sozialer Netzwerke und das Aufkommen von Streaming-Services hat große Teile von Individualität und Kreativität im Netz unwiederbringlich zerstört und durch Geschäftemacherei ersetzt.

Ok, wir verstehen: Du bist sauer, dass Du keine Möglichkeit mehr hast, Deine Musik an den Mann zu bringen.

Glücklicherweise ist es nicht so.

Unglücklicherweise ist es ganz anders: Tatsächlich sind es die Hörer, die immer mehr um durch nichts zu ersetzende Erfahrungen und Erlebnisse gebracht werden.

Kaum jemand macht sich noch auf die Suche nach Musik, nur der Musik wegen. Kaum jemand möchte noch ein Entdecker sein. Musik ist immer mehr nur Beiwerk und Berieselung.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich in meiner Jugend nach London reiste und in Camden „Rhythm Records“ aufsuchte, um dort je eine EP von den Sisters und von Clock Dva zu erwerben, die auf dem europäischen Festland nirgends zu bekommen waren.

Oder wie ich mich mit Lee Harris persönlich in Verbindung setzte um herauszufinden, wie ich am besten an das Debut-Album von .O.Rang rankomme (das kein Plattenladen in Deutschland hatte oder auch nur kannte).

Oder, wo wir schon bei .O.Rang sind, wie ich Jahre brauchte, um eine obskure B-Seite von Talk Talk zu ergattern – und das glückselige Gefühl, als ich es endlich geschafft hatte und die ersten Takte von „It’s Getting Late In The Evening“ von meinem Plattenspieler an meine Ohren drangen.

Solche Geschichten sind verloren gegangen, und an ihre Stelle sind Algorithmen getreten, die es auszutricksen gilt, sowohl von den Musikern (die alles mögliche an SEO-Scheiß, Influänzer-Anbiederung und aufdringlichen Social-Media-Tricksereien auffahren müssen, um wahrgenommen zu werden) als auch von den Hörern (die stundenlang SEO-optimierte Suchergebnissen ausweichen und alternative Plattformen bedienen müssen, um etwas Anderes zu finden; was sie aber eh schon lange nicht mehr tun weil sie nicht wissen, wie das überhaupt geht).

Und das alles, meine verehrten Damen und Herren, ist sehr, sehr schade für alle Beteiligten.

Dieses Projekt hier verfolgt also zwei Ziele: Erstens, mein neues Album aufzunehmen, und zweitens: Die Geschichten zurück zu bringen, die Verbindungen wieder herzustellen.

Ein Gesamtkunstwerk, wenn man so will.

Ok, was müssen wir also tun, um das neue Album zu hören?

Zwei Möglichkeiten.

Das Allereinfachste ist: Kommt mich besuchen. Für eine Spende eures Ermessens an die Tara Tierhilfe e.V. lade ich euch zu einer Tasse Tee (oder Kaffee, oder stilles Wasser ;-)) hier bei mir im Studio ein; wenn das Wetter schön ist, können wir auch einen Spaziergang durch das wunderschöne Kasbachtal machen. Und als Abschluss drücke ich euch dann sehr gerne das Album als Lyric Book + Datenträger eurer Wahl (CD oder USB-Stick) in die Hand.

Zweite Möglichkeit: Wer die Reise aus dem einen oder anderen Grund nicht auf sich nehmen kann, der darf mir gerne etwas Selbstgemachtes schenken. Ob ein Gedicht oder eine Zeichnung oder ein paar Socken oder Marmelade oder ein schönes Foto oder eure eigene Musik… eurer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt! Wichtig ist nur, dass es von euch ist. Ich will euch entweder treffen, oder etwas von euch in den Händen halten.

Ich will keinen Online-Scheiß, keine Boosts, keine Influencer-Mentions, keine Likes, keine Retweets, keine Bitcoins und keinen geilen Page Rank. Ich will Kommunikation und Erleben.

(sollte einem meiner Leser noch eine dritte Möglichkeit einfallen… die Kommentarsektion und ich, wir sind für Vorschläge offen)

Ein hehres Ansinnen, aber auf die Weise wirst Du keine fünf Alben los werden.

Es ist mir durchaus klar, dass es so kommen kann. Aber dieser Gefahr stelle ich mich dieses Mal gerne und sehenden Auges.

Ich hatte in meiner 30jährigen Karriere echt so einiges. Ich hatte CDs die gar nicht mal so gut waren, sich aber trotzdem prima verkauften. Ich hatte voll besetzte Clubs, in denen das Publikum den Refrain von „Voices“ mitsang. Und ich hatte Sachen, auf die ich irrsinnig stolz bin, die aber kaum jemanden interessieren.

Letzteres ist genau dann echt mies, wenn man eigentlich die ganze Zeit gedacht hatte, man würde damit die Welt aus den Angeln heben.

Doch dieses hier wird ganz bewusst ein Album werden, das nur von sehr wenigen Menschen gehört werden wird —und diejenigen, die sich darauf einlassen, denen verspreche ich eine in jeder Hinsicht besondere Reise.

Hast Du keine Angst, dass Dir das Torrent- und Warez-Volk einen Strich durch die Rechnung macht?

Eigentlich nicht so sehr. Das Warez-Volk interssiert sich schon lange nicht mehr für mich. Ganz davon abgesehen wird das Album unter Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht, es wird also jedem frei stehen, für seine Freunde und Bekannten Kopien davon anzufertigen – oder eben, es ins Netz zu stellen. Aber ich bin ziemlich sicher, die Menschen, die sich auf die Reise zu mir begeben, sind von anderen Motiven getrieben als der erste zu sein, der das Album ins Netz pumpt.

Alles klar! Sonst noch etwas?

Wie bei all meinen verrückten Ideen behalte ich mir das Recht vor, Titel, Aussehen und Form des Albums zu ändern, alles ganz anders zu machen und dabei alle Beteiligten maßlos zu verwirren. Ich wünsche in jedem Fall viel Spaß.


Kommentare

11 Antworten zu „Ein neuer Anfang“

  1. Freut mich sehr, dass die OP erfolgreich war! Gute Genesung!

    Zu Deinem Plan:

    Den Wert einer Ware steigern, indem man die Erreichbarkeit erschwert. Bewährtes Konzept allemal, wer kennt es nicht, wie Leute abgehen, wenn man wo nur mit Einladung dabei sein darf, z.B. ein exclusiver Club, ein neues tolles Smartphone oder ein neuer elitärer Online Dienst.

    Allerdings willst Du ja kein neues Produkt bewerben und es durch die künstlichen Hürden für neue Zielgruppen unwiderstehlich machen, denn diese wissen ja gar nichts davon und wie Du schreibst suchen sie auch nicht danach. Es erfahren also nur diejenigen davon, die hier aktiv mitlesen, also bereits Deine langjährigen Fans sind.

    Wenn Du also unter Deinen Fans aussortieren möchtest, wer Deine Musik nur gerne hin und wieder nebenher hört, oder wer auch gerne über ein paar Stöckchen springen mag, um die neue Musik von Dir zu erreichen, dann kann ich mir vorstellen, dass das zielführend sein könnte. Dann erreicht Deine Musik definitiv nur Menschen, die sie außergewöhnlich wertschätzen.

    Ich bin gespannt, was passiert, lass es uns gerne wissen!

    1. Ich wusste ja, dass das Ganze als „Stephan lässt sein Publikum durch Reifen springen“ mißverstanden werden könnte (wenn man sich die Original-Ideenfindung auf Mastodon anschaut, befürchte ich das dort auch schon relativ bald).

      Um das noch mal ganz deutlich zu sagen: Das ist nicht das Ziel. Ich möchte es niemand unnötig schwer machen. Ich kann nur wiederholen, was ich auf Mastodon auch schon geschrieben habe:

      „I definitely don’t want to exclude people in any way, and I also don’t want to force them to jump through hoops in order to get to the music. but I definitely want to try the ‚music is not simply a given, and it’s not only my journey, it’s your journey also‘ angle.“

      Irgendein „Produkt“ zu „bewerben“, darum geht es nicht mehr. Das hab ich schon gemacht. Wir alle wissen wie das ausgegangen ist.

      Ich möchte ein Kunstwerk schaffen, das außerhalb vom Netz existiert und sich außerhalb von Netz verbreitet. Eines, wo der Weg das Ziel ist – und wenn dann nur drei Leute mitmachen, wird es für mich trotzdem ein Erfolg sein, weil ich eben zur Abwechslung nicht Teil der Maschine bzw. Variable im Algorithmus war. Das ist es mir als Künstler wert.

      1. Danke für die Erklärung. Ich habe verstanden, dass es nicht Dein Ziel ist, gute von schlechten Fans zu trennen. Ich bin aber weiterhin davon überzeugt, dass es darauf raus läuft, auch wenn Du das nicht beabsichtigst. Verzeihung dafür, ich will Dich damit nicht verletzen (wobei ich da wohl das selbe Problem habe: Auch wenn ich das nicht beabsichtige, wirds darauf hinauslaufen).

  2. Uh, ich finde das eine wirklich schöne Idee! Also nicht das ich einen besonderen Grund bräuchte um bei euch vorbei zu kommen, das tue ich auch so sehr gerne! Ich bring dann einfach zusätzlich noch was selbstgemachtes mit, Deal!?

    Und schön zu hören das die OP gut gelaufen ist. Du läufst dann hoffentlich auch bald wieder munter durch die Gegend. Musst mir das nächste Mal ja noch ein bisschen Umgebung zeigen!

    Fühl dich gedrückt (und die Frau K. auch)!

    1. Das klingt alles zusammen sehr gut! 🙂 Die Dulfs und wir, wir freuen uns auf Dich 🙂

  3. »sollte einem meiner Leser noch eine dritte Möglichkeit einfallen…«

    … ja, da fällt mir schon etwas ein … etwas sehr naheliegendes … für einen __Musiker__ sehr naheliegendes:

    Du gehst auf Tour!
    😉😉😉

    1. Gehen ist grad nicht so. 😉

      Nee, Scherz beiseite, Du wirst lachen, das habe ich mir auch schon überlegt. Aber wenn ich nicht allein inmitten von einem Berg von Elektronik auf der Bühne sitzen möchte (und das möchte ich nicht!), dann müsste ich mir dazu eine Band organisieren. Und da kommen dann gleich mehrere Schwierigkeiten zusammen: Leute zu finden, die die entsprechenden Fähigkeiten haben und die Zeit haben und das auch wollen und denen man nicht die ganze Zeit hinterherlaufen muss. Solche Dinge werden schwieriger, je älter man wird…

  4. Na, endlich mal ein Grund, in´s Kasbachtal zu fahren 🙂
    Spaß beiseite: Ich hätt´ ja schon mal gesteigertes Interesse an einem Real-Life-Treffen …
    Schreibenderweise kennen wir uns ja schon seit ein paar Stündchen 😉

    1. Jahaa, das beruht auf Gegeseitigkeit!! Ich hab mir in den letzten Jahren auch immer wieder gedacht, „wenn Du in die alte Heimat fährst, dann müsstest Du eigentlich den Jürgen besuchen gehen!“
      Problem ist nur, dass jede einzelne meiner Reisen in die alte Heimat mit irgendeiner mitleren bis riesigen Katastrophe verbunden war, die ich entweder möglichst schnell hinter mich bringen wollte oder mir die Laune vollkommen verhagelte.
      Die Chance ist groß, dass es andersrum tatsächlich besser klappt 🙂 Du bist auf jeden Fall ganz herzlich eingeladen, wenn es so weit ist (oder ich melde mich vorher, sollte ich wieder in die Nähe kommen und keine Katastrophe am Horizont zu sehen sein ;))

  5. Super Konzept! Und da künstlerische Strategien ausser einer gewissen Stringenz nichts weiter „müssen“, finde ich Dein Vorhaben super. Das konterkariert imho auch z.B. die NFT-Idee usw. – also übers Netz digitale „Unikate“ zu verkaufen. Musikk auf physischem Träger gegen Besuch – klarer, konsequenter und stringenter geht es doch nicht. Wenn man Bilder oder Skulpturen so vermarktet, sagt auch keiner was dagegen. Und wo steht, dass das Ergebnis sobald musikalisch immer jederzeit für jeden (kostenlos am besten… oder gar via Spotify…) zur Verfügung stehen muss? Super, wirklich!

    1. Hey Anja, vielen Dank für Deinen Kommentar, und ganz herzlich willkommen auf dem Blog!

      Eben, das Künstlerische ist auch ein ganz großer Antrieb hinter der Idee. Veröffentlichen im Netz sorgt für mich immer irgendwo auch dafür, dass ich (ganz unfreiwillig) das Gefühl habe, in einen (ganz unfreiwilligen) Wettbewerb zu treten… und am Ende des Tages möglicherweise sogar selbst daran zu glauben, dass ich hier ein „Produkt“ habe, das ich „bewerben“ muss.

      Diesen Aspekt sozusagen auszusperren, das motiviert mich gerade, (noch viel mehr) Dinge auszuprobieren, die ich vorher in der Art sicherlich nicht gemacht hätte.

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