a red car parked on a meadow between a stormy sky and several birds flying by

Revolution Nr. 2

Drüben bei FC Stoffel habe ich letztens davon erfahren, dass sich im Januar nächsten Jahres die „friends of ccmusic“ gründen werden.

Und ich muss sagen, ich bin zu gleichen Teilen begeistert und skeptisch.

Begeistert, weil es höchste Zeit ist, dass CC-Lizenzen wieder mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken, insbesondere der kreativen Öffentlichkeit. Und weil die Welt in den letzten Jahren etwas an Kreativität verloren hat, das es sich unbedingt lohnt, wieder zurück zu bringen.

Skeptisch deswegen, weil ich es alles schon erlebt habe und nicht nochmal erleben möchte.

Doch der Reihe nach:

CC-Musik? Wiebitte? Wasdasdenn?

Ich habe schon lange damit aufgehört, die Tatsache besonders hervorzuheben oder ihre Vorzüge in der Welt da draußen anzupreisen, aber es ist noch immer so, dass meine Musik unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht wird.

Im Ottonormalverbraucher-Klartext heisst das, ich bin nicht bei der GEMA. Wenn meine Musik gespielt wird, verdient sich nicht der Ralph Siegel eine goldene Nase daran, und jeder darf meine Musik kopieren und weiter geben, ohne dass er Angst haben muss, dass meine Plattenfirma eine Armee von Anwälten auf seine Großmutter hetzt. Oder sonstiger Wahnsinn passiert.

Die Reaktion der meisten Zeitgenossen auf dieses Vorgehen ist leider (mittlerweile wieder) entweder ein sehr vorhersagbares „Hä? Was? Wieso? Willst Du denn keine Kohle damit verdienen?“, oder ein ebenso vorhersagbares, vielsagendes Minenspiel, welches auf herablassend-bedauernde Weise die schlagartig einsetzende Erkenntnis ausdrückt, dass meine Musik dann wohl „nur ein Hobby“ oder sonst irgendwie nicht ernstzunehmen sei.

Aber das war nicht immer so.

Golden Years

Wenn ich mich daran erinnere, wie es angefangen hat mit den CC-Lizenzen, damals, als Plattformen wie Jamendo gegründet wurden und das Internet Archive erstmals seine Tore öffnete, dann kann ich noch immer die Aufbruchstimmung spüren, die einst in der Luft lag.

Jetzt endlich würden Musiker das Ruder selbst in die Hand nehmen, würden es verhassten Institutionen wie der GEMA mal so richtig zeigen, das Diktat vom Dudelradio (Sie wissen schon, mit-dem-Langweiligsten-Von-Gestern-und-dem-Schlimmsten-von-Heute) beenden und der Welt zeigen, was für großartige Musik da draußen gemacht wurde, und dass jeder mitmachen konnte.

Eine zeitlang sah es ganz gut aus. Doch dann kam das Blogsterben, das Aufkommen von Spotify & Co., und der Siegeszug der „sozialen“ Netzwerke, und bald kümmerte sich niemand mehr um freie Musik und Creative-Commons-Lizenzen (und diejenigen, die es doch noch taten, wurden mitleidig belächelt).

Tja, und jetzt lese ich drüben bei FC Stoffel, dass sich vor einiger Zeit wohl schon Idealisten zusammengetan haben, welche im Januar die „friends of ccmusic“ gründen wollen. Und diese Gruppierung hat es sich auf die Fahnen geschrieben, Creative-Commons-Lizenzen wieder mehr ins Bewusstsein der Kreativen rücken zu wollen.

Oder, um es in ihren eigenen Worten zu sagen:

Die Friends of ccmusic fühlen sich dem Gedanken des „Free Culture Movement“ verpflichtet. Wir möchten dazu beitragen, dass alle Menschen die „etwas mit Musik“ machen dazu in die Lage versetzt werden, dies frei und selbstbestimmt ohne Zwänge zu tun, mit den Mitteln, die ihnen dafür passend erscheinen. Wir möchten auch eine Gegenangebot zu der marktwirtschaftlichen Logik der Musikindustrie und ihren Plattformen machen. Unser Ziel ist es, das Kreative in „Creative Commons“ wieder mehr in den Mittelpunkt zu stellen.

[…]

Das klingt alles sehr gut. Und unbedingt unterstützenswert.

Und ich bin nun wirklich der Letzte, der ihnen das madig machen will.

Deja Vu

Aber trotzdem kann ich nicht verschweigen, dass sich mir beim Lesen dieser Zeilen ein ganz flaues Gefühl in der Magengrube einstellte – denn das obige, das sind alles Dinge, an denen bereits vor etwas mehr als zehn Jahren eine Menge Menschen schon einmal krachend gescheitert sind.

Oder? Weiss noch jemand, wer die Musikpiraten waren? Ist der Free! Music! Contest! noch jemandem ein Begriff? Kann sich jemand an die Free Music Charts erinnern?

Bingo. Alles weg, alles vorbei. Und damit nicht genug: Auch die Akteure von damals sind inzwischen zu grüneren Ufern weiter gezogen. Man kann halt nicht ewig Revolution machen, irgendwann kommt das Leben dazwischen (oder? Liest hier noch jemand von damals mit? Sven oder Carsten oder so? Hat irgendjemand von euch noch mitgekregt, wie’s mir erging? Nee? Macht nichts. Alles ok, nichts für ungut)

Ich hasse es, wenn ich rüberkomme wie der verbitterte alte Mann, der alles schon einmal erlebt hat und jetzt schon sagen kann, dass es schief gehen wird.

Deshalb wünsche ich den „friends of ccmusic“ von Herzen alles alles Gute in ihrer Mission. Ich wünsche ihnen wirklich Erfolg, und dass sie mehr Kreative von der Verwendung von CC-Lizenzen überzeugen können.

Krasse Hürden

Nur wird das in der heutigen Zeit sicherlich noch schwerer als vor 20 Jahren noch. Denn inzwischen herrschen die sozialen Medien und die Algorithmen, niemand liest mehr Blogs; Alternativen wie Mastodon und das Fediverse sind in den Köpfen der Meisten leider weiterhin (und durchaus auch ein bisschen selbstverschuldet, aber das ist ein anderer Artikel) eine Nische – und alles was in nicht unmittelbar geil und und bunt und klickbar erscheint, wird ganz schnell untergehen in der schönen neuen sozialen Netzwerkwelt da draußen.

Und ich sehe ein weiteres Problem: Es müssten unbedingt auch „ganz normale“ Menschen dazu gebracht werden, CC-Kunst irgendwie positiv wahrzunehmen.

Seien wir ganz ehrlich: Ich mag es, wenn meine Musik gehört wird. So wie ganz viele andere Musiker auch. Klärt man aber nur die Musiker über CC-Lizenzen auf, so endet man mit einer Truppe von Musikern, die dem CC-Gedanken gegenüber vielleicht aufgeschlossen sein mögen, die aber sehr schnell feststellen werden, dass sich herzlich wenig „normale“ Leute für ihre Werke interessieren.

Und auch das hat, so muss ich leider zugeben, seine Gründe.

Es gibt viel gute CC-Musik.

Es gibt aber auch irrsinnig viel wirklich schlecht gemachtes Gewummer, Geblubbere, Gewürge und Gerausche, bei dem eine nennenswerte Schöpfungshöhe nicht wirklich feststellbar ist. Es ist kein Wunder wenn der „ganz normale“ Hörer sehr schnell abgeschreckt wird von „atonales Klangexperiment 2048-4096 (inklusive Source Code!)“, „kreischender Waschmaschinenmotor mit Double Base“ oder „ich hasse euch alle und ihr stinkt – die neue-Hardcore-Speed-Techno-Thrash-Punk-Single von ((Machine*Fucker))“.

Soll CC-Musik also wirklich wieder in der breiten Masse erkannt und vor allem anerkannt werden, bräuchte es irgendwo eine Plattform, welche die hörbaren Sachen irgendwie kuratiert und trotzdem nicht in Vetternwirtschaft abdriftet… und schon als ich diesen Satz schreibe merke ich bereits, auf welch dünnes Eis ich mich damit bewege. Denn ganz klar sollen alle mitmachen können und dürfen. Und ganz klar ist es auch ein Riesenaufwand, hier wirklich eine Plattform auf die Beine zu stellen, bei der es einigermaßen gerecht zugeht. Jüngere Beispiele wie das „radio free fedi“ zeigen, wie schwer und wie undankbar so etwas ist.

Es gibt also irrsinnig viele Hürden, und man kann ganz klar sagen, dass die Welt ein wesentlich feindseligerer Platz ist als sie es beim ersten Aufkommen von CC-lizenzierten Werken war.

Um das alles trotzdem wieder vorwärts zu bringen, müsste man sich richtig reinlegen und richtig kämpfen. Und ich persönlich fühle mich tatsächlich zu alt dazu. Ich habe meinen Teil für König und Vaterland getan. Meine Werke sind beinahe alle CC-lizenziert, und das wird auch weiterhin so sein. Sie klingen auch alle weder nach gefiltertem Sägezahn mit generischem House-Beat, noch nach DAW-Template-Geblubber. Es ist schöne Musik. Ich sehe das als meinen Beitrag an.

Den Kampf draußen in der Gosse der vermeintlich sozialen Netzwerke, den wird jemand anders führen müssen.

Ich wünsche ganz ehrlich viel, viel Erfolg dabei!


Kommentare

5 Antworten zu „Revolution Nr. 2“

  1. Ich bin ja, wie Du weißt, eher im Klassikbereich unterwegs und da gibt es glücklicherweise doch einige Komponistys, die ihre Werke unter CC Lizenz veröffentlichen, was es mir als Ausführende erleichtert, zeitgenössische Musik in Konzerten zu spielen. Meine eigenen (klassischen) Sachen bringe ich auch entsprechend unter die Leute, aber werde regelmäßig gefragt, ob ich denn nix verdienen wolle. Bzw hörte ich von einer Kollegin einmal, dass sie, nachdem sie etwas in einem renommierten Verlag veröffentlicht hatte, quasi zwangs-GEMA-siert wurde, obwohl sie gar nicht wollte. Der Verlag war der Meinung, das ginge nicht anders. Aber ich kann das nicht aus eigener Erfahrung bestätigen, weil ich bisher nur self-published unterwegs bin.

    Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Danke Dir jedenfalls für den Einblick und Deine Gedanken dazu!

    1. Ja, die Zwangs-GEMAisierung, das ging uns damals mit Botany Bay auch so. Es gab eine Menge Radios, die der Meinung waren, sie könnten uns nicht spielen, weil das technisch gar nicht ginge, solange wir nicht bei der GEMA sind. War natürlich absoluter Oberbullshit, aber dennoch.
      Bin mir nicht sicher, wie es heutzutage ist, aber zumindest Kommerzradio hört ja eh niemand mehr, der einigermaßen klar bei Trost ist… 😉

      1. Hm, naja, samstags Werner Reinke auf hr1 ist Kult 🙂
        Aber ja, ich weiß, was Du meinst.

  2. Ich freue mich sehr über diesen Beitrag, auf den ich durch ein Pingback bei mir aufmerksam geworden bin, wie in alten Zeiten, hihi.

    Du sprichst mir da sehr aus dem Herzen. Ich mache mir da auch keine Illusionen. Eine Revolution wird es nicht geben. Die Probleme die Du benennst sehe ich genau so, vor allem die Frage nach den Kuratoren. Aber ich denke, wir können trotzdem versuchen es uns nett zu machen. In aller Ruhe so wie wir es leisten können. In unser kleinen Nische in „diesem“ Internet.

    1. Der Verlag verdient halt mehr, wenn vertretene KünstlerÏnnen in der GEMA sind. Bzw. er verdient nix, wenn Du nicht drin bist, da das Hauptgeschäft eines Verlags ~30% der GEMA-Einnahmen der vertretenen KünstlerÏnnen sind. Dafür kümmert sich der Verlag um den GEMA-Hässel.
      Und manche Radios wollen (brauchen?) halt, dass die gespielten MusikerÏnnen einen Labelcode haben. Der wird meist vom Verlag zur Verfügung gestellt. Ohne LC wissen manche Sender scheinbar nicht, wie sie abrechnen sollen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert