Ein Riss des rechten Innenmeniskus sorgte vorletzte Woche dafür, dass meine Mobilität ziemlich eingeschränkt ist, um das mal nett auszudrücken.
Ich liebe mein neues Studio. Es hat Platz, es hat eine wunderschöne Aussicht, es hat eine tolle Amtosphäre, es stehen dort viele schöne Instrumente herum und man kann dort ausgesprochen gut kreativ sein.
Aber es hat auch einen ganz enormen Nachteil: Es befindet sich im ersten Stock unseres Hauses und ist nur durch eine Treppe erreichbar.
Weil ich aber gerade echt inspiriert bin und vor Ideen nur so strotze, beschloss ich, mir im zum Krankenzimmer umgewidmeten Schlafzimmer ein kleines Sekundärstudio einzurichten. Mt einem kleinen MIDI-Controller-Keyboard das bequem ins Bett passt, und meinem 2015er Billigst-Notebook der Firma Dell, auf dem Linux läuft, und das mir seit Jahren treue Dienste beim Hacken, Surfen und Spielen leistet.
Mein „normales“ Studio läuft voll und ganz auf Apple Hard- und Software. Logic ist seit über 20 Jahren die DAW-Software meines Vertrauens, seit „Grounded“ wurden sämtliche Botany-Bay-Alben damit aufgenommen. Mein Knie-Malheur und die damit verbundene Langeweile im Krankenzimmer war für mich der Anstoß, mal etwas Neues auszuprobieren und zu schauen, wie weit man inzwischen mit Open-Source-Lösungen in der Musikproduktion kommt.
Stellt sich heraus: Ziemlich erstaunlich weit, selbst mit meinem zugegebnermaßen inzwischen total untermotorisierten Dell-Notebook.
Obwohl ich es wirklich gerne würde, kann ich noch nicht so weit gehen und behaupten, Linux sei für nicht-computeraffine Musiker eine ernstzunehmende Alternative zu Logic & Co. Zu viele Dinge sind hier noch zu komplex und technisch und einfach nicht besonders ausgereift.
(Beispiel gefällig? Mein MIDI-Keyboard wollte nicht funktionieren. Ganz klar, es ist ja auch ein Legacy-ALSA-Device. Wenn ich aber die Linux-Drumcomputer-Lösung „Hydrogen“ und die Linux-DAW „Ardour“ zusammen verwenden möchte, dann brauche ich JACK als verbindende Zwischen-Instanz, welches mit ALSA-Legacy-Devices aus irgendeinem sicher guten Grund nur so halb bis gar nicht zurecht kommt. Also ganz logisch, dass ich noch eine ALSA-Legacy-To-JACK-Bridge brauche, auch wenn JACK tausend ALSA-Einstellungen hat und auch durchaus bemerkt, dass mein Keyboard da ist. Egal. Das alles ist für mich wirklich überhaupt kein Problem. Aber ich kenne nicht wenige Musiker, die würden bei der Erläuterung dieser Umstände besorgt schauen, „Gesundheit“ wünschen und garantiert bei Logic, Cubase oder Pro Tools bleiben)
Aber trotzdem hat es mir einen Heidenspaß gemacht, mal diese andere Welt zu betrachten. Und je mehr ich diese andere Welt betrachtete, desto mehr Tracks und Demos entstanden – Tracks, die mit der Musik, an der ich eigentlich gerade arbeite, nicht das geringste zu tun haben.
Es stellte sich irgendwann die Frage, was ich damit mache.
Nun, wenn man mit einem doofen Meniskus im Bett liegt, dann hat man ziemlich viel Zeit, nachzudenken. Über Gott und die Welt und die Musikindustrie und über Freunde und Bekannte, über Labels und über Vermarktung.
Es ist ja nichts Neues, dass Musik nichts mehr wert ist. Es gibt sie überall, an jeder Ecke wird man damit vollgedudelt, die Timelines der sogenannten sozialen Medien füllen sich mit Tracks die lustige Filmchen untermalen, man hat Spotify und Apple Music, und wenn dann noch der Stephan behauptet, er hätte was Neues gemacht, ist das nur ein weiterer ganz kleiner Bestandteil vom ganz, ganz großen Rauschen und geht unter in tausend Dingen, die wichtiger sind.
Nun hat mir glücklicherweise der Erfolg von „The Drunken Fisherman“ bei meinem Label gezeigt, dass es keineswegs so ist, dass niemand mehr meine Musik hören will. Und ich bin darüber wirklich sehr dankbar und froh.
Trotzdem wünschte ich mir manchmal, ich könnte mich aus diesem ganz, ganz großen Rauschen herausnehmen und eine ganz andere Art Produktion machen, die auch ganz anders funktioniert. Ein Album, das man sich eben nicht im Internet bequem streamen oder runterladen kann. Eines, für das Google keinen Download-Link ausspuckt. Eines, wo sich niemand überlegen muss, wie man es wohl am besten in den sozialen Medien plaziert und suchmaschinenoptimiert, so dass es auch gefunden wird.
Und als ich da so auf meinem Hackbook vor mich hinkomponierte und weiter darüber nachdachte, da wurde mir klar, dass ich das eigentlich ohne Probleme machen könnte.
Ich teilte meine Gedanken auf Mastodon, wo das Ganze eine sehr interessante und fruchtbare Diskussion auslöste und mich auf eine Menge weiterführende Ideen brachte (siehe hier!).
Und ich denke, genau das ist es, was diese im Schlafzimmer gestartete Parallelproduktion werden wird: Ein Album, das ihr nicht im Internetz kriegen werdet. Eines, für das ihr auf eine Tasse Tee und/oder einen kleinen Spaziergang durchs schöne Kasbachtal bei mir vorbeikommen müsst.
(Wer jetzt einwendet, dass ich dann keines loswerde: Fair enough. Vielleicht. Wenn es dann so sein sollte, dann ist dieser Umstand eben Teil des Kunstwerks)
Der Titel steht auch schon fest, „Strategies Against Algorithms“ wird die Produktion heißen, wenn sie fertig ist (Bonuspunkte für diejenigen unter euch, denen an dieser Stelle bewusst ist, bei welchem berühmten und bewunderten Vorbild meinerseits ich mich bei der Titelgebung orientiert habe).
Und es wird sie ausschließlich hier, bei mir geben.
(natürlich möchte ich niemanden physikalisch ausschließen, der die Reise zu mir aus dem einen oder anderen Grund nicht unternehmen kann; und ich möchte auch niemanden durch Reifen springen lassen um Musik von mir zu bekommen. Keine Sorge, ich überlege mir da noch was Gutes, keine Angst).
Jetzt hab ich am Donnerstag erstmal die Knie-OP. Drückt mir die Daumen.
P.S.: Weitere Neuigkeiten: Natürlich frage ich mich gerade mal wieder, für wen ich das hier eigentlich schreibe. Äußerst erfreulicherweise steigen seit der Veröffentlichung von „The Drunken Fisherman“ das Interesse und die Zugriffszahlen auf dieses Blog nach langer Zeit endlich wieder. Allerdings kommen die allerwenigsten dieser Zugriffe aus dem Land, in dessen Landessprache ich hier bis jetzt geschrieben habe. Ich spiele deshalb mit dem Gedanken, die Blogsprache auf Englisch zu ändern. An die schätzungsweise 4 deutschen Stammleser die noch übrig sind – was meint ihr? Wärt ihr damit ok, oder wäre ich euch dann auch noch los? (was ich natürlich nicht möchte!) Oder habt ihr vielleicht eine noch bessere Idee? Ich lasse die Kommentarsektion mal offen…
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