Offenbarungen (1):

2022 war so ein bisschen das Jahr der Offenbarungen für mich.

Es gibt zwei Arten von Offenbarungen. Die eine ist, wenn einem plötzlich Dinge klar werden, die man zwar die ganze Zeit schon irgendwie vermutete, die sich aber in einem Moment explodierender Deutlichkeit als hundertprozentig richtig herausstellen. Wie zum Beispiel dieses:

Musik im Internet vermarkten ist einfach nichts für mich.

Es ist etwas, das sich einreiht in Tätigkeiten wie Geräteturnen, Aktienspekulation, Volksmusik, Influencing, Motorsport, SEO und Karnevalssitzungen. Es gibt sicherlich Menschen, die das alles mögen und können und irgendwie Sinn darin finden – ich aber nicht, eher im Gegenteil.

Vollends klar wurde mir dies, als letztes Jahr auf Mastodon eine Liste herumging mit „Musiker im Fediverse, die man gehört haben muss“ (Seitdem all die Twitter-Leute auf Mastodon abhängen, gibt es immer mehr Listen. Listen von berühmten Leuten im Fediverse, von Comiczeichnern im Fediverse, von einflussreichen Journalisten im Fediverse, und so weiter und so fort)

Nun, die auf der Musik-Liste aufgeführten Werke bewegten sich im Spektrum von „wirklich äußerst, äußerst geniales Zeug!“ bis zu „irgendjemand hat in seiner DAW ein paar Templates aneinandergereiht, ist dann aus Versehen auf ‚Export‘ gekommen und nennt das jetzt sein ‚Album’“.

Wie auch immer, mein letztes Album war nicht dabei, und da es zumindest eine gewisse Schöpfungshöhe ganz locker erreicht und somit durchaus auf die Liste passt, dachte ich mir, hey Stephan, biste mal lustig und schreibst darunter „Tolle Liste, aber ich glaube, [Link auf mein Album] fehlt noch„. (im Original: „Great list, but I think (…) is still missing“)

Es dauerte keine 5 Minuten, da hatte ich vom Ersteller der Liste eine Antwort, in der ich öffentlich mal so richtig ordentlich rund gemacht wurde. Was mir einfalle, ihn auf diese Weise zu kritisieren. Diese tolle Liste von tollen Musikern sei mit Hilfe von ganz ganz viel tollen Leuten über Monate hinweg entstanden, und meinen bevormundenden Ton könne ich mir gefälligst sparen, und so weiter und so fort.

Hmja. Ich war ziemlich bestürzt. Mit einer wortreichen Entschuldigung gelang es mir schließlich, das Missverständnis aus der Welt zu schaffen. Wer mich kennt, der weiß, dass ich sehr vorsichtig und zurückhaltend bin, wenn es darum geht, andere Menschen auf meine Musik aufmerksam zu machen; Es gibt enge Freunde, die kein Sterbenswörtchen von meiner Musik erfahren, weil sie mir gezeigt haben, dass sie sich nicht dafür interessieren. Ich will alles, nur nicht aufdringlich sein.

Auch ist es eine Binsenweisheit, dass im Internet nicht unbedingt rüberkommt, wie man etwas meint. Es soll jetzt auch nicht das Thema sein, ob mein Ton bevormundend war oder nicht (meine Meinung: war er nicht), aber eines wurde mir bei dieser Angelegenheit vollständig und mit allumfassender Klarheit bewusst:

Ich will diesen Kram nicht mehr.

Es ist nichts für mich. Weder bin ich gut darin noch macht es mir Spaß. Ich muss das endgültig hinter mir lassen.

Die Veröffentlichung von „The Drunken Fisherman (And Other Stories)“ durch mein Label hat mir gezeigt, dass es durchaus eine erkleckliche Anzahl an Menschen gibt, die meine Musik hören wollen, wenn nicht ich derjenige bin, der sie anpreist. Und mein Label hat einen wirklich tollen Job gemacht. Es braucht nicht auch noch meine Hilfe. Die wenigsten Käufer kommen von mir.

Das Blöde daran ist nur, dass ich für mich selbst rauskriegen muss, wann ich Marketing mache, und wann ich einfach nur Stephan bin. Das ist gar nicht so leicht. Beispielsweise diesen Text, den ich gerade schreibe. Ist das jetzt Marketing, weil ich auf mein „Produkt“ aufmerksam mache? Nein, ich denke nicht. Ich verlinke mein „Produkt“ noch nicht mal. Ich denke, das bin einfach nur ich, der etwas niederschreibt, das ihm auf der Seele liegt. Wer dieses Blog nicht mag, braucht es nicht lesen.

Aber es stimmt, die Grenzen sind fließend, das macht die Sache sehr schwer.

Wenn mein Offline-Album fertig ist, werde ich irgendwie darauf aufmerksam machen müssen. Da es offline sein wird, kann ich auf die Hilfe meines Labels nicht zählen. Dass macht mir an dieser Stelle tatsächlich etwas Sorgen.

Aber wie sagt man so schön, wir werden diese Brücke überqueren, wenn wir dort sind.


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