Ich möchte euch heute ein paar Fotografien vorstellen, die zu einem neuen Projekt von mir gehören, das ich mir für 2025 (auch) vorgenommen haben.
Und außerdem möchte ich euch die schöne Geschichte darüber erzählen, wie es zu diesem Projekt kam.
Das Ganze wird etwas länger, aber durchaus auch interessant und unterhaltsam, vor allem, wenn man sich für Fotografie interessiert.
Hoffe ich zumindest.
(Für alle Bilder in diesem Artikel gilt übrigens: Klick macht big)
Was bisher geschah
Sollte es unter meinen Lesern jemanden geben, der so ausgesprochen wahnsinnig war, mein bildliches Wirken über das letzte Vierteljahrhundert hinweg online zu verfolgen, so wird diesem Jemand vermutlich schon aufgefallen sein, dass sich meine fotografischen Ambitionen in der letzten Dekade merklich verringert haben.
War ich früher auf zahlreichen Online-Fotocommunities (wie flickr, model-kartei, fotocommunity, etc.) zu finden, stets beseelt von dem Gedanken, der in diesen Gefielden allgegenwärtigen ebenso hochglänzenden wie ridikülen Eisvogel– und Tittenknipserei meine eigene Sicht der Welt und der Menschen in ihr entgegenzusetzen und ebendieser Welt Lichtbilder mit Tiefgang und Emotion zu schenken, so ist es mir heute vollständig ausreichend, hauptsächlich für mich selbst und meine liebe Frau K. das Leben um mich herum zu knipsen.
Auf den verbliebenen Foto-Communities finde ich nicht mehr statt, und auf „sozialen“ Netzwerken mit meinen schönen Bildern erfolglos gegen das schwachsinnige Dauer-Werbegewitter von Influänzern und Influänzerinnen anzukämpfen und dabei nicht mal ein tausdendstel der „Views“ zu bekommen, welche Babsi Bommelbums für den Bericht über den Kauf eines neuen Abführmittels zuteil werden, dafür bin ich mir ehrlich gesagt zu schade.
Schöne Komplimente
Aber auch wenn das Internet inzwischen durch diverse Schlipsträger beinahe vollständig zerstört wurde, so ist mir dennoch auch in der heutigen Zeit noch zumindest ab und zu eine geringfügige Exponierung vergönnt – und zwar dann, wenn der Gnadenhof ein Bild von mir auf Insta oder Facebook verwendet (was aus Gründen leider nur noch selten passiert), oder wenn ich für ebendiesen Gnadenhof am Jahresende einen Kalender zur Verfügung stelle, oder für Freunde und Nachbarn aus dem Dorf.
Und es sind genau diese Gelegenheiten, die im letzten Jahr ganz erstaunlich oft der Anlass für das Anbringen ein und desselben sicherlich nett gemeinten, tatsächlich eher zweifelhaften Komplimentes waren, nämlich:
„Wow, das sind tolle Bilder. Du hast sicher ne tolle Kamera!“
Was bei mir immer für freundliches Lächeln gepaart mit leichter innerer Verstimmung sorgt, denn ich möchte gerne für mein fotografisches Können gelobt werden und nicht dafür, dass ich vermeintlich tolles Equipment habe (was übrigens eh nicht so ist).
„Früher“, in Foto-Community-Kreisen, erzählte man sich in Foren und Bildkommentaren oft gerne von einer Begebenheit, die sich zwischen dem berühmten Fotografen Helmut Newton und einem Küchenchef zugetragen haben soll.
Die Geschichte geht ungefähr so: Der Küchenchef wird der Tatsache gewahr, dass der berühmte Fotograf Helmut Newton bei ihm im Restaurant speist, kommt ganz aus dem Häuschen an seinen Tisch, verwickelt ihn in Smalltalk und sagt zu ihm: „Ihre Fotos gefallen mir – Sie haben bestimmt eine gute Kamera.“
Worauf Newton ganz ungerührt entgegnet: „Das Essen war ganz vorzüglich, Sie müssen gute Kochtöpfe haben!“
Ich habe früher nie geglaubt, dass sich diese Geschichte tatsächlich so zugetragen hat; dazu ist sie zu passend, zu schön, zu direkt, zu Nagel-auf-Den-Kopf. Und außerdem, so dachte ich mir früher immer, sagen normale Leute sowas doch nicht.
Doch weit gefehlt – „normale“ Leute sagen so etwas durchaus. Und noch besser: Immer wenn ich dann geduldig versuche, sie darüber aufzuklären, dass meine Kameras größtenteils echt billig sind und meine besten Fotos sogar mit ganz fürchterlich uralten Billig-Knipsen gemacht wurden, werden diese von mir durchaus ernst gemeinten Einwände und Beteuerungen mit einem Lächeln abgetan, als könnten sie auf keinen Fall stimmen.
Eines schönen Tages im letzten Jahr, als ich wieder einmal besagtes „Kompliment“ zu hören bekam, musste ich spontan an meine allererste Digitalkamera, eine Dimage 5 von Minolta, denken – und daran, dass es mir mit dieser Kamera auch sicherlich heute noch gelingen würde, Fotografien zu machen, von denen andere Leute denken, ich hätte sie mit was-weiss-ich-welchem Mords-Equipment gemacht.
Ja, ich weiß, die Leute meinen das nicht so, und im Endeffekt ist es auch echt egal. Aber trotzdem, ein ganz kleines bisschen Rest-Eitelkeit habe ich immer noch, und überraschenderweise dachte ich am nächsten Tag immer noch an meine alte Dimage 5 (die sich natürlich schon seit vielen Jahren nicht mehr in meinem Besitz befand), und allmählich reifte in mir der Plan zu einem kleinen Projekt, nämlich: Mir wieder eine Dimage 5 zuzulegen und einfach mal zu schauen, ob es mir gelingen würde, damit auch in 2024/2025 noch Bilder zu machen, die sich mit meinem sonstigen Output messen ließen.
Ebayer auf Crack
Gesagt, getan – ich begab mich also auf Ebay und schaute, ob ich irgendwie wieder an eine Dimage 5 rankommen würde.
Ich kaufe fotografisches Equipment aufgrund des Rückgaberechtes (und der Tatsache, dass echt viel schief gehen kann) normalerweise bevorzugt bei Händlern – und tatsächlich fand ich einen Händler, der eine Dimage 5 feil bat:
Das Problem an diesem Angebot war natürlich die an Wahnsinn grenzende Preisvorstellung. Eine Dimage 5 ist im Jahre 2024 auch beim wirklich allerbesten Willen nicht mehr als 20 Euro wert.
Aber: Kein Problem – so dachte ich mir –, wer gewerbsmäßig mit Fotoapparaten handelt, dem wird das schon klar sein, und versuchen kann man’s ja mal. Also machte ich einen Preisvorschlag von 20€.
Dieser wurde abgelehnt, Gegenangebot: 140€
Das fand ich nun echt lustig und machte einen neuen Preisvorschlag von 30€ – das ist zwar viel zu viel, aber immerhin gab’s ein Rückgaberecht und Weihnachten stand vor der Tür, da will ich mal nicht so kleinlich sein.
Dieses Mal wurde ohne Gegenangebot abgelehnt.
Man hat bei eBay insgesamt drei Preisvorschläge, also unternahm ich einen letzten Versuch (30,10€), mit einer freundlichen Anmerkung an den Händler, dass ich ein freundlicher und harmloser Mensch bin, der die Kamera aus nostalgischen Gründen echt gerne hätte, dass aber doch hoffentlich allen Beteiligten klar wäre, dass sie nie und nimmer mehr als 20 Euro wert sei.
Nun ja, auch dieser Vorschlag wurde kommentarlos abgelehnt, was mich sowohl ungemein belustigte, als auch etwas ratlos zurückließ – denn ich frage mich ganz ernsthaft, was für ein Geschäftsmodell dahinter steckt.
Wartet dieser Händler allen Ernstes darauf, dass irgendjemand dumm genug ist, 149 Öcken für eine Dimage 5 hinzublättern**?
Passiert so was tatsächlich?
Ich meine, machen Leute im richtigen Leben da draußen sowas?
Kann man mit so was Kohle machen?
(Ich frage für einen Freund)
Aber egal – zwei Tage später ersteigerte ich eine wunderbar erhaltene und voll funktionsfähige Dimage 5 für zehn Euro plus Versand. Das Experiment konnte beginnen!
Die Kamera
Die Dimage 5 ist – wie so viele Kameras aus den Pioniertagen der digitalen Fotografie – ein gar wundersames Gerät; stammt sie doch aus einer Zeit, zu der Kamerahersteller noch nicht wussten, was die Käufer in einer Digitalkamera haben möchten – und wo ihnen auch nur ganz allmählich klar wurde, wie billig man Kunden abspeisen konnte, ohne dass sie sich beschwerten.
Und so war die Dimage 5 (und ihre größere Schwester, die Dimage 7) noch mit „Fotografen“-Funktionen ausgestattet, die man nur wenige Jahre später in den meisten nicht-professionellen Digitalkameras vergebens suchte:
- Ein großes und informatives (bei Bedarf hintergrundbeleuchtetes) LCD-Display auf der Oberseite,
- jede Menge Einstellrädchen für so ziemlich jeden Aspekt des Fotografierens,
- ein wirklich fähiges Objektiv mit manuellem Zoom-Ring,
- die Möglichkeit, Bilder im RAW und TIFF(!!)-Format zu speichern
- ein neigbarer, elektronischer Sucher mit Dioptrienausgleich
Das alles kann aber natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Dimage 5 aus heutiger Sicht ein ganz fürchterlich beschränktes, kompliziertes und ineffizientes Gerät ist, das sowohl in Bildqualität als auch Bedienung von jedem Smartphone auf der Standspur überholt wird:
- Eine Auflösung von 3.3 Megapixeln reicht auf den meisten modernen Displays nicht mehr aus, um ein Bild bildschirmfüllend darstellen zu können
- Der verbaute winzig kleine CCD-Sensor hat eine ganz miese Dynamik und ein horrendes Rauschverhalten. Bilder rauschen schon bei ISO100 deutlich; bei ISO200 fragt man sich, ob etwas kaputt ist, und alles oberhalb ISO400 ist nicht mehr verwendbar
- Der Autofokus gehörte damals schon nicht zu den Schnellsten und Zuverlässigsten. Im Jahre 2025 aber sorgt das hilflos-verzweifelte Zirpen des Autofokus-Motors, der fast immer mehrere Sekunden dauernde Fokussierungsvorgang und die Tatsache, dass der Fokus danach nur in einem von drei Fällen richtig sitzt, nur noch für ungläubiges Kopfschütteln
- Die Kamera ist mit der Verarbeitung von RAW-Bildern hoffnungslos überfordert. Fotografiert man im RAW-Modus, so friert die Dimage 5 nach dem Drücken des Auslösers für ca. 10 Sekunden ein, um das Bild abzuspeichern. Während dieser Zeit stellt sich die Kamera tot, und es kann kein weiteres Bild gemacht werden
- Ebenso kann sie RAW-Bilder weder im Sucher noch auf dem rückwärtigen Bildschirm richtig wiedergeben. Aus welchen Gründen auch immer werden RAW-Bilder mit einem Grünstich und viel zu harten Kontrasten wiedergegeben.
- Oh, Apropos Bildwiedergabe: Ebensowenig lässt sich in die aufgenommenen Bilder hineinzooomen; d.h., eine Überprüfung der Schärfe ist unmöglich
Man muss also schon ziemlich masochistisch drauf sein, um so eine Kamera 2025 noch zum Einsatz zu bringen. Oder nostalgisch. Oder eine Mischung aus beidem, was bei mir vermutlich der Fall ist.
Fotografieren mit der Dimage 5
Schnell wird eines gewiss: über die Jahre lieb gewonnene Errungenschaften der digitalen Fotografie muss ich mir ganz schnell abschminken.
Im Haus und mit wenig Licht zu fotografieren ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Die 800 ISO der Dimage 5 reichen für einigermaßen kurze Belichtungszeiten bei Weitem nicht aus, außerdem haben die Ergebnisse sehr oft Ähnlichkeit mit exklusiver Berichterstattung live von irgendeinem Reaktorunfall oder so.
Klar, wenn man weiss, was man tut, kann man der Dimage 5 auch bei 800 ISO noch brauchbare Bilder entlocken, aber ein einfach-so-drauflos-Knipsen ist absolut nicht drin.
Was auch nicht drin ist: Mal schnell ein Foto machen.
Schnell ist nicht.
Der Autofokus braucht auf jeden Fall Sekunden, bis er (vielleicht) sitzt und versagt vollständig, sollte sich das anvisierte Subjekt bewegen.
Manuell zu fokussieren ist noch langsamer (und dank den grobpixeligen Displays zu ungenau). Sprich: Alles, was in Bewegung ist oder mit solcher zu tun hat, lässt sich mit der Dimage 5 nur sehr schwer einfangen.
Doch auch hier gilt: Wenn man weiß, was man tut, dann geht es zur Not eben doch. Zum Beispiel, wenn sich das Subjekt auf einer Ebene bewegt und man vorher schon auf ebendiese Ebene fokussiert hat.
Oder wenn man zufällig beim manuellen Fokussieren die korrekte hyperfokale Distanz erwischt hat (was sehr schwierig aber nicht unmöglich ist; immerhin gibt es eine ungenaue Distanzanzeige).
Was auch nicht geht: Ein Foto machen und sich dabei denken, „ah da kann ich ja später noch reinvergrößern“. Mit gerade mal 2056×1544 Punkten Auflösung ist das ein hoffnungsloses Unterfangen.
Was geht?
Nachdem ich nun all die Dinge aufgezählt habe, die nicht gehen – was geht eigentlich überhaupt mit einer Dimage 5?!
Nun, wie sich herausstellt: Erstaunlich viel. Auch wenn es sich jetzt erstmal nicht danach anhört: Das Fotografieren mit der Dimage 5 macht richtig enorm viel Spaß.
Ich weiß nicht, ob es an der geringen Auflösung oder an der mangelnden Dynamik liegt, aber die Bilder, die aus dieser Kamera kommen, haben einen ganz eigenen Charme, der über „Trash-Chic“ deutlich hinausgeht.
Vielleicht spielt die geringe Farbauflösung hierbei eine Rolle.
Ein Sensor mit Bayer-Matrix und 3.3 Megapixeln Auflösung hat im ungünstigsten Fall (zum Beispiel: das Subjekt ist hauptsächlich rot) noch eine spatiale Auflösung von 0.8 Megapixeln. Was primärfarbig bunt ist, wird umso undeutlicher und verschwommener je weniger grün es ist.
Hinzu kommt, dass der verbaute Infrarotfilter sehr schwach ist, im Gegensatz zu heutigen Kameras fängt die Dimage 5 also sehr viel Licht im infraroten Spektrum ein. Eventuell führt auch dies zum besonderen – und wie ich finde durchaus charmanten – „Look“ dieser Bilder.
Vielleicht sind wir ja nun auch in einer Zeit angekommen, in der es uns möglich ist, in den ersten Digitalkameras eine Retro-Ästhetik zu entdecken wie einst in den analogen Filmkameras vergangener Zeiten.
Vielleicht bin ich aber auch nur ein alter Mann, der sich das alles einbildet, und der einfach gerne in nostalgischen Erinnerungen an eine Zeit schwelgt, in der die Dinge wesentlich komplizierter und doch einfacher waren.
Sei es wie es wolle – Kamerahändler dieser Welt hergehört: Sollte dieser Artikel aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz von mehr als 2 Personen gelesen werden und am Ende dafür sorgen dass FitMitFritz, RollatorRosi, VeganVanessa (oder wie auch immer all die Influänzer sich schimpfen) sich wie die Bescheuerten auf gebrauchte Dimages stürzen und somit den Gebrauchtpreis in schwindelerregende Höhen treiben:
Ihr habt das mir zu verdanken. Würde mich mit einem Zehntel eures Gewinnes zufrieden geben. Schon mal Danke im Voraus!
Bis dahin knipse ich dann mal weiter mit meiner Dimage 5.
Ich würde sie nicht als meine to-go-Kamera verwenden, und ich würde sie auch ehrlich gesagt für nichts einsetzen, was irgendwie wichtig ist. Aber ich bin trotzdem gespannt, mit welchen Bildern sie mich 2025 überraschen wird.
#Fotografie #photography #darktable #dimage5
* die Welt der Fotografie hat Minolta übrigens enorm viel zu verdanken. Großartige Objektive, das erste Autofokus-System der Welt, der erste sensorbasierte Bildstabilisator… Aber wie das nun mal leider so ist wird Geschichte ausschließlich von Gewinnern geschrieben, und kaum jemand erinnert sich noch an Minolta. Den meisten Menschen ist nicht klar, dass ein Teil der Minolta-DNA in der Alpha-Systemkameras von Sony weiter lebt, aber dies nur so am Rande.
** Update: Seit Erscheinen dieses Artikels hat derselbe Händler eine weitere Dimage 5 zum Verkauf eingestellt – dieses Mal will er 169 Euro. Daher hier schon mal der Hinweis: Ich mag meine echt gerne, wäre aber bereit, mich zum Preis von EUR 5000,00 davon zu trennen.
Schreibe einen Kommentar