Ich habe mich in den letzten Wochen nach mehreren Jahren Pause wieder mit dem MEGA65 und meiner Schwäche für das Retro-Computing beschäftigt. Und dabei ist mir einmal mehr aufgefallen, was für eine unwahrscheinliche Geschichte den MEGA65 eigentlich mit mir verbindet, und wie seltsam das Leben so spielt.
Zeit, mal ein wenig etwas darüber zu schreiben.
In den 1990er-Jahren war ich stolzer Besitzer eines C65 – jenes sagenumwobenen Commodore-Rechners, der als letzter großer 8-Bit-Computer geplant war, jedoch nie in Serie ging und nur in kleiner Stückzahl als Prototyp gefertigt wurde.
Ich studierte die Maschine eine zeitlang auf Herz und Nieren, kam über gute Kontakte an die Original-Entwicklungsunterlagen von Commodore ran und schrieb so einige Programme und Demos für den Rechner – bis ich schließlich wieder das Interesse verlor (sowohl Hard- als auch Software waren voller Bugs) und ich ihn zu einem Preis von 800 Euro weiter verkaufte.
Was natürlich einer der dümmsten Fehler meines Lebens war, denn heute ist auch ein schlecht erhaltener C65 schon mal locker das 50fache wert.
Aber man soll nicht über verschüttete Milch heulen.

Fast forward ins Jahr 2014. Seit meinen glücklichen und frühen Twen-Jahren, in denen ich den C65 erkundet hatte, war viel passiert, und ich musste oft an diese frühen Zeiten zurückdenken. Eine ganze Zeit lang auch durchaus wehmütig. Denn vom C65 ganz abgesehen hatte ich damals ein gutes und vergleichsweise unbeschwertes Leben geführt. Ich hatte eine unglaublich liebe Freundin, ich hatte ein schönes Zuhause, ich hatte gute Freunde, und ich kannte nette Menschen, die gerne die Musik hörten, die ich damals mit meinen guten Freunden zusammen machte – und es sollte mir erst später aufgehen, wie kostbar das alles war, und dass nichts, aber mal so richtig überhaupt nichts davon selbstverständlich ist…!
Als ich mein schnurriges Zuhause in Karlsruhe Ende der 90er Jahre aus den völlig falschen Gründen verließ (nachdem ich mich zuvor bereits aus den völlig falschen Gründen von meiner Freundin getrennt hatte) und mein damaliger Freundeskreis sich nach und nach auflöste, war dies der Anfang einer langen Reise, die nicht immer einfach war – und mein Leben kam eigentlich erst wieder wirklich ins Lot, als ich 2007 Frau K. kennen lernte.
Doch genug der persönlichen Hintergründe und zurück zum MEGA65.
Im Jahre 2014 machte sich ein australischer Informatiker namens Dr. Paul Gardner-Stephen daran, einen ganz speziellen Traum zu verwirklichen, nämlich den C65, diesen nie vollendeten Prototypen von Commodore, fertig zu entwickeln und zur Marktreife zu bringen.
Dies sprach sich im Netz herum, und bald hatte Paul einige Mitstreiter um sich gesammelt, die ihn tatkräftig unterstützten und das Evangelium in die Welt trugen.

Ich hatte auf Umwegen auch davon erfahren und hatte 2016 eine Mail an Paul geschrieben, in der ich mich vorsichtig erkundigte, ob ich vielleicht helfen könne oder dürfe.
Damals wurde nichts daraus – vermutlich war ich einfach mal wieder zu schüchtern und bescheiden –, und so verlor ich die Sache erstmal wieder aus den Augen.
Bis ich drei Jahre später plötzlich Mail vom MEGA65-Team erhielt.
Da ich mich in meiner Zeit als Besitzer eines originalen C65 so ausführlich mit dieser Maschine beschäftigt hatte, dass einige meiner Original-Programme und -demos (sowie die C65-Entwicklungsunterlagen mit meinen handschriftlichen Notizen drin!) noch immer im Netz kursierten, war das MEGA65-Team auf mich aufmerksam geworden, und es kam schließlich zu einer sehr fruchtbaren und schönen Zusammenarbeit, bei der ich so Einiges zur Fertigstellung der Maschine beitragen konnte.

Vom MEGA-Team wurde ich mit einem Prototypen versorgt, und von da an gab es kein Halten mehr.
Das erste, was ich tat, war, meine alte Diskettensammlung zu durchstöbern und zu schauen, ob sich darunter noch irgendetwas befand, was damals auf dem C65 entstanden war. Und tatsächlich, es gab eine 3.5″ Diskette mit den Anfängen eines PETSCII-Editors, den ich damals “YAPED” (Yet Another Petscii Editor) getauft hatte, dessen Entwicklung ich dann aber bald aufgeben musste, weil in meinem C65 weder DOS noch BASIC so weit fertig waren, als dass man auf der Maschine vernünftig hätte entwickeln können.

Weiter ging es mit der Entwicklung einer Rollenspiel-Engine namens ARCHAIC (Advanced Retro Computing Host for Adventures and Interactive Campaigns), welche die erweiterten Möglichkeiten des MEGA65 ausnutzte. ARCHAIC bot die Darstellung von Bildern mit 256 Farben, eine eigene Skriptsprache für Dungeons und Begegnungen – und etliche andere Nettigkeiten mehr.
Bis heute ist ARCHAIC und das erste darauf basierende Rollenspiel nicht fertig gestellt, und ich weiss nicht, ob ich jemals wieder die Zeit für so ein Projekt finden werde. Aber die Arbeit war trotzdem nicht umsonst, denn einer der Bestandteile von ARCHAIC war eine C-Bibliothek, die sich mit einigen den erweiterten Grafikfähigkeiten des MEGA65 beschäftigte. Diese war so flexibel, dass sie schließlich in die offizielle libc des MEGA65 integriert wurde.



(bislang unvollendet, aber wer weiß, wer weiß…)
Des Weiteren gab’s von mir ein kleines aber feines Unit-Testing-Framework, welches in Assembler geschrieben war, sich von BASIC aus ansteuern ließ und welches das automatisierte Testen der Funktionalität des BASIC-Interpreters ermöglichte – remote, von einem per USB verbundenen Rechner aus.
Dieses System war ins Leben gerufen worden, weil ich damals eng mit BitShifter zusammen arbeitete – ebenfalls einem CBM-Hacker der ersten Stunde, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, BASIC10 (wie es damals noch hieß, bevor es in BASIC65 umbenannt wurde) zu Ende zu implementieren und von den allerschlimmsten Bugs zu befreien.
Diese Zusammenarbeit brachte es auch mit sich, dass ich “Eleven” entwickelte – eine Art Mischung aus Präcompiler und Editor für BASIC65, der die gravierendsten Mängel von BASIC65 beheben sollte – zumindest so lange, bis BASIC65 mächtig genug geworden war.

Es war eine tolle Zeit. Ich glaube, ich hatte seit meinen goldenen 20er Jahren nicht mehr so viel und so gerne programmiert. Ich schrieb wie ein Wilder drauflos. In Assembler, in BASIC, in C – egal, es machte alles Spaß. Es gab noch viele weitere Projekte von mir, unter anderem auch zwei Ports alter Spiele – “Revolution” (ein Strategiespiel, in dem Rebellen eine Regierung stürzen müssen; ein gerade wieder sehr aktuelles Thema…) und das gute alte “Lemonade Stand”, nur dieses Mal für zwei Personen.
Auf dem MEGA65 zu entwickeln war für mich irgendwie wie Heimkommen.
Ein schönes Gefühl.
Insbesondere zusammen mit BitShifter das vollkommen fehlerhafte und löchrige BASIC10 durch die Mangel zu drehen (und dabei Bugs zu finden, die seit über 30 Jahren in dieser Sprache geschlummert hatten) und zu erleben, wie nach und nach etwas tatsächlich einigermaßen Brauchbares dabei heraus kam, war eine großartige Erfahrung!


Eine diskrete Simulation für die Modellierung eines einfachen Räuber-Beute-Modells.
Doch BASIC war es leider auch, was schließlich dafür sorgte, dass ich mich aus der Entwicklung des MEGA65 wieder zurück zog – denn irgendwann war der Punkt gekommen, an dem die (damals noch recht überschaubare Community) vor einer folgenschweren Entscheidung stand.
Nämlich entweder
- einen Teil der Kompatibilität zum alten CBM-BASIC zu opfern, dafür aber dringend benötigte, einigermaßen “moderne” Konzepte einzuführen – sprich: Variablennamen mit mehr als signifikanten zwei Zeichen(!), sowie Prozeduren und Funktionen statt umständliche GOTOs und GOSUBs (!!),
oder
- an der Kompatibilität zum alten BASIC festzuhalten und die Sprache damit genau so veraltet und unübersichtlich zu belassen, wie sie es Ende der 80er Jahre schon gewesen war.
Für mich vollkommen unverständlicher Weise entschied man sich damals für die zweite Alternative.

Das Ganze enttäuschte mich insbesondere deshalb, weil Untersuchungen bei Commodore sich schon in den frühen 90er Jahren intensiv mit dieser Problematik beschäftigt hatten und zu dem Ergebnis gekommen waren, dass BASIC dringend überarbeitet werden müsse. Es gibt ausführliche interne Entwicklungsdokumente von Commodore zu genau diesem Thema, die ich damals mit jedem teilte, der sie haben wollte.
Doch es half alles nichts. Die Zukunft sollten zwei-Buchstaben-Variablen, GOTOs und Spaghetti-Code sein.
Nun ist es natürlich ganz klar, wenn die Community so entscheidet, muss man dies eben akzeptieren.
Doch wenn man für eine Sache die ganze Zeit Herz und Seele gibt und diese Sache marschiert dann einfach in eine vollkommen andere Richtung davon als man sich das vorgestellt hat, dann kann einen das schon ziemlich runterziehen – und genau dies war schließlich der Grund dafür, dass ich alsbald meinen Hut nahm und der Plattform den Rücken kehrte.
Wobei ich an dieser Stelle sagen muss – ich tat das nicht im Zorn. Es drangen ganz einfach zu jenem Zeitpunkt eine Menge andere Dinge in mein Leben, die wichtiger und wichtiger für mich wurden – und die Entscheidung, mich in der nächsten Zeit vorrangig um diese Dinge zu kümmern, wurde mir durch die BASIC-Situation wesentlich erleichtert.



Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Inzwischen sind 5 Jahre ins Land gezogen, und ich habe meinen Frieden mit BASIC65 gemacht. Zwar sehe ich immer noch die Probleme – aber auf der anderen Seite war die Situation auf dem C64 noch viel schlimmer gewesen, und die Leute haben trotzdem ganz erstaunliche Sachen damit gebastelt.
Außerdem gibt es inzwischen mehrere Ansätze, anspruchsvolles Programmieren direkt auf dem MEGA65 doch möglich zu machen – der hoffnungsvollste davon scheint mir ein nativer Pascal-Compiler zu sein, der mit ein bisschen mehr Geschwindigkeit und Optimierung eine ganz, ganz feine Sache werden könnte!
Vor ein paar Wochen setzte ich mich also hin, aktualisierte mein treues MEGA65 DevKit mit dem neuesten Core und den neuesten Betriebssystem-ROMs, brachte ein paar meiner Projekte auf den neusten Stand (es hatten sich ein paar Kleinigkeiten geändert, die dafür sorgten, dass nicht mehr alles reibungslos lief) – und oh Wunder, ich war sofort wieder verliebt in die Maschine!

Was Paul Gardner-Stephen und sein Team vom Museum Of Electronic Games and Art da auf die Beine gestellt haben ist immer noch ein Projekt, das seinesgleichen sucht – und man spürt an jeder Ecke dieser Maschine die unglaubliche Schaffenskraft der Mitwirkenden, die Liebe zum Detail und, ja, einen Pioniergeist, den man eigentlich mit dem Niedergang der Heimcomputer Mitte der 90er Jahre gestorben wähnte. Doch weit gefehlt.
Und so fühlt sich Programmieren auf dem MEGA65 für mich nun ein zweites Mal wie Heimkommen an.
Denn die Welt der Softwareentwicklung hat sich in den letzten fünf Jahren radikal verändert – so tiefgreifend, dass man sie kaum noch wieder erkennt. Überall ist von „Vibe Coding“ und LLMs die Rede, und plötzlich herrscht dank Künstlicher Intelligenz insbesondere im mittleren Management und unter Laien der Konsens, dass Programmieren nun endlich wirklich jeder könne. Eine Illusion, die sich mit einer erschreckenden Selbstgewissheit verbreitet. Und auch gestandene Programmierer können gar nicht anders, als zu Assistenten und Agenten zu greifen, um sich den Arbeitsalltag zu erleichtern und zumindest in Sachen Geschwindigkeit konkurrenzfähig zu bleiben. Einerseits ist dies eine Entwicklung, die verständlich und nicht mehr umzukehren ist – doch was sie langfristig für unsere Mündigkeit und unser geistiges Vermögen bedeutet, lässt sich kaum absehen. Ich persönlich fürchte, wir steuern auf etwas Düsteres zu – etwas sehr Düsteres.
Ausser natürlich, wenn man eine Maschine wie den MEGA65 programmiert. Hier braucht es tatsächlich noch Können und Kreativität. Und die Bereitschaft, auch mal über den eigenen Schatten zu springen und die Vergangenheit die Vergangenheit sein zu lassen.
Und so ist mein erstes Projekt ein kleines Spiel – in BASIC65, weil ich einfach wissen wollte, wie sich das jetzt anfühlt. Ich kann euch schon mal zeigen, wie es aussieht. Nämlich so:

Ja, ich könnte jetzt wieder anfangen über die sprachlichen Widrigkeiten von BASIC65 zu philosophieren… aber die Wahrheit ist, ich hatte einen Heidenspaß, dieses Spiel all dieser Widrigkeiten zum Trotz direkt in BASIC65 innerhalb von drei Tagen runter zu hacken – und ich hoffe, es demnächst der Öffentlichkeit vorstellen zu können.
Bleibt an dieser Stelle nur zu sagen: Welcome back, MEGA65, Du hast mir gefehlt.
Mal sehen, was mit uns beiden noch so geht!
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