Ich war die letzten Tage ja hauptsächlich mit meiner alten Sony Alpha 850 unterwegs, und da ist mir eines mal wieder aufgefallen:
All die nervigen kleinen Probleme, mit denen die Sony A7 geplagt ist und die zumindest mich immer wieder verzweifeln liessen*, die hatte Sony nur wenige Jahre zuvor noch allesamt perfekt im Griff:
- Die Alpha 850 startet sofort und ohne spürbare Verzögerung, egal ob eine neue Karte oder Batterie eingelegt wurde,
- Alle Knöpfe und Räder sind deutlich spürbar und haben einen definitiven „Klick“, wenn man sie bedient… und man betätigt auch kein fiddeliges Rädchen aus Versehen und leitet damit unbeabsichtigt ein Helene-Fischer-Konzert ein
- Der AF-Punkt lässt sich unmittelbar und direkt mit dem Joystick bewegen.
- Der Fotograf hat selbstverständlich die Wahl zwischen RAW und CRAW
- Alle wichtigen Funktionen (Belichtungsmodus, AF/AEL, Spotmessung, manueller Fokus) sind mit praktischen „analogen“ Bedienelementen direkt mit dem rechten Daumen erreichbar,
- mehr noch, sie sind haptisch so gestaltet, dass man nach wenigen Griffen zuverlässig weiss, wo man ist, und dies auch nie wieder vergisst,
- Die Menüs sind nüchtern und übersichtlich gestaltet, es gibt keinen „automatischen Ausschnitt wählen“ oder „App Store“(!!) oder „Soft Skin Portrait“(!!!) oder sonstigen Scheißdreck, der das Hauptmenü vollmüllt und in einer professionellen Kamera nix zu suchen hat,
- Die Belichtungsautomatik generiert vernünftige Zeit/Blenden-Kombinationen. Kein „Blende 4, 1/60s“-Wahnsinn bei Objektiven, die eigentlich zu viel mehr in der Lage sind,
- Das AF-Hilfslicht ist so positioniert, dass es nicht von großen Händen am Griff verdeckt werden kann,
- Das Betriebssystem ist schnell und ausgereift. Man hat niemals das Gefühl, auf etwas warten zu müssen,
- Keine seltsamen „Vorschau kann nicht angezeigt werden“ Meldungen weil (so vermutet man in einschägigen Foren, aber man weiss es nicht sicher und der Konzern schweigt natürlich) die Speicherkarte zu langsam ist,
- Keine minutenlangen „Die Datenbank muss repariert werden“-Meldungen, wenn man den Frevel begangen hat, die Speicherkarte in einer anderen Kamera gehabt zu haben,
- und, und, und, und…
Das alles drängt natürlich die Frage auf, was zwischen der 850 und der 7er-Serie eigentlich katastrophales im Hause Sony passiert ist.
Das ganze Know-How war schon mal da. Die 850 ist der lebendige Beweis dafür, dass die praktischen Bedürfnisse von Fotografen bei Sony einst sehr ernst genommen wurden.
Wie konnte es passieren, dass all das verloren ging?
Nun ist die Alpha 850 ja noch sehr verwandt mit den Dynax-Kameras von Minolta (deren Kamerasparte Sony sich einverleibt hatte). Ich möchte daher an dieser Stelle die Hypothese** aufstellen, dass man sich der alten Minolta-Leute, sei es nun Management oder Engineering, nach und nach entledigte, weil man es irgendwie ’selbst schaffen wollte‘.
Dass plötzlich statt erfahrener und alteingesessener Ingenieure und Manager ein junges, hippes Team die Leitung übernahm, das alles besser machen und der Welt etwas beweisen wollte.
Und tatsächlich sind die A7-Kameras technisch ganz weit vorn. Wenn es also ausschließlich darum ging, zu beweisen, wer den Längsten hat (bzw. den neuesten und geilsten Sensor verbauen kann), dann hat das alles prima geklappt.
Ansonsten aber nicht. Die Seele, die damals mit Minolta eingekauft wurde, finde ich in der A7 nirgends. Tatsächlich finde ich überhaupt keine Art von Seele darin.
Daher wäre mein dringender Rat an Sony:
- Verdonnert die neuen Leute dazu, ein Jahr lang mit ihren eigenen Kameras fotografieren zu müssen. Ohne Gnade.
- Währenddessen, holt euch die alten Minolta-Leute zurück. Dann entschuldigt euch artig bei ihnen und erhöht ihr Gehalt. Und zwar ordentlich.
- Vertragt euch. Trinkt ein Bier zusammen. Oder von mir aus auch mehrere.
- Und dann baut bitte zusammen endlich wieder eine Alpha-Kamera, die es wert ist, diesen alten und stolzen Namen zu tragen.
Ich kauf‘ sie auch, versprochen.
* natürlich ist das alles nur meine Meinung. Ich kenne Leute, die mit der A7 prima glücklich sind und wunderbare Fotos damit machen, und das ist auch vollkommen ok so. Für mich war die Kamera halt nichts, u.a. aus den dargelegten Gründen.
** tatsächlich kenne ich solche Sachen ja auch aus meiner professionellen Laufbahn, sogar von beiden Seiten. Irgendwo neu anzufangen und alles anders und neu und hip machen zu wollen ist mir genau so geläufig wie irgendwo zu kündigen und zuschauen zu müssen, wie die Nachfolger einen ganz enormen Haufen Grütze bauen…
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