Die Weisheiten des Mr. Big, oder: Wie wir einmal beinahe bei Sony Music unterschrieben hätten (Teil 1)

Es war das Jahr 2009, und vieles war vollkommen anders, als es heute ist.

Insbesondere, wenn es Botany Bay betrifft.

Ich kann an dieser Stelle nicht ernsthaft behaupten, wir wären jemals ausgesprochen „erfolgreich“ gewesen… aber im direkten Vergleich zu heute war 2009 ein enorm erfolgreiches Jahr.

Die Welt hatte gerade begonnen, ernsthaft Notiz von uns zu nehmen. Veröffentlichungen von Tonträgern oder Ankündigungen von Konzerten wurden von etlichen Menschen mit Spannung erwartet. Unsere damals noch existenten Fanpages auf Myspace und Facebook (das war, bevor Mark Zuckerberg damit begann, Künstler zu erpressen) zählten insgesamt um die 500 Mitglieder, und wir hatten einen Vertrag mit einem kleinen Label, das zwar nicht wusste, was es mit uns anfangen sollte, uns aber zumindest die eine oder andere administrative Last von den Schultern nahm. In den Free-Music-Charts belegten wir regelmäßig die ersten Plätze, und sehr zu unserer großen Überraschung kamen mehr und mehr Menschen zu unseren Konzerten. 

Eines unserer allerersten Konzertplakate (unten, nicht oben ;-)), damals noch mit den „Con-Chillos“ als Vorband, die sich bald in „Fronthaus“ umbenennen und fortan mit uns zumindest eine kurze Zeit lang durch dick und dünn gehen sollten.

Von meiner Kunst leben, das konnte ich damals genau so wenig wie heute, deshalb war mein Lebensentwurf auch damals schon, mir mit Softwareentwicklung die Ausübung meiner Berufung zu verdienen.

Nur bedeutete dies damals, mich in einem mittlerweile nicht mehr so bekannten Bonner Unternehmen vierzig Stunden die Woche für ein echt beschissenes Gehalt nach Strich und Faden ausnutzen zu lassen; außerdem führte ich damals noch eine Fernbeziehung mit Frau K., und ich fotografierte angezogene wie nackte Menschen… keine Ahnung, wie ich das alles unter einen Hut brachte.  

Bei erwähntem Unternehmen arbeitete damals eine Frau namens Monika (1), welche mein Musiker-Sein – wie so viele Menschen – vollkommen zu ignorieren pflegte. 

Eines Tages jedoch besuchte mich Laura (2) im Büro, weil wir in einer Woche ein Konzert in Köln spielen und darum am Abend proben wollten. Zufällig befand sich da gerade Monika in meinem Büro, und Laura ließ nicht locker, bis sich Monika an Ort und Stelle das Konzert-Ankündigungs-Video auf unserer Myspace-Fanpage anschaute. 

Wie sich herausstellte, war das genau die richtige Strategie: Die Tatsache, dass wir eine einigermaßen gut besuchte Fanpage und ein Video und eine Latte an enthusiastischen Kommentaren darunter hatten, erweckte erstmals Monikas Interesse an unserer Musik, und bald schon fiel der unvermeidliche Satz: „Hey, ihr seid ja richtig gut. Warum hat mir das vorher niemand gesagt?

Ich geb’s zu. Wir waren leicht zu übersehen und unsere Musik war viel zu leise. Ausserdem hatten wir nicht die richtigen Sachen an. An irgendwas davon muss es liegen.

Die folgenden Wochen entwickelte sich Monika zu unserem interessiertesten Fan, und sie sprudelte nur so vor Ideen, wie wir unsere Musik noch besser an den Mann bringen konnten. „Ich kenn‘ da jemanden mit dem ich damals einen Mark-Owen-Fanclub gegründet habe, und die hat Kontakte […]„, „Ihr braucht unbedingt Merch. Ihr braucht T-Shirts und Sticker[…]„, „Ihr müsst was an eurem Outfit machen. Stephan, Du kannst nicht einfach im löchrigen Joy-Division-T-Shirt auf die Bühne kommen, und Laura, Du musst mehr Haut zeigen[…]“ waren nur ein paar ihrer Einsichten, wie wir uns optimieren könnten.

Natürlich war mir damals schon klar, dass – um es mal nett auszudrücken – Monikas Motivation und Beweggründe, sich für Musik zu begeistern, nicht mit denen von Laura und mir übereinstimmten. Aber auf eine seltsame  Art und Weise versprühte sie dabei eine ansteckende Art von Enthusiasmus, die ich sehr mochte. Und deshalb lehnte ich sie auch nicht ab. 

Unser Konzert fand dann plangemäß eine Woche später in einem kleinen Club in Köln statt, und obwohl es meiner Meinung nach einer unserer schlechteren Gigs war (zwischen Laura und unserem damaligen Live-Gitarristen gab es einige Spannungen, alles sehr Spinal Tap), wurden wir nach dem Konzert an der Bar von einem Menschen aufgesucht, der sich als „Mr. Big“ vorstellte. 

(Ja, auch dieser Name wurde von mir geändert. Bevor sich jemand wundert – sein originales Pseudonym war vergleichbar cringeworthy, es war gar nicht so einfach, einen adäquaten Ersatz auszuwählen…)

Mr. Big war eine formidable Gestalt. Nochmal einen Kopf größer als ich, kahlrasiert, Lederjacke, durchdringender Blick und sehr einnehmend. Er war, so stellte sich schließlich heraus, ein bekannter und erfolgreicher Kölner DJ und Musikproduzent, und unser wirklich nicht so tolles Konzert war offensichtlich das beste gewesen, was er in Köln seit langer Zeit gehört hatte. 

„Wie sieht’s denn aus, habt ihr ein Label? Einen recording deal?“ fragte er, nachdem er uns Getränke unserer Wahl ausgegeben hatte.

„Wir haben ein Label“, antwortete ich wahrheitsgemäß, „allerdings wissen die nicht, was sie mit uns anfangen sollen, und das Goth-Geschrammel, das die sonst im Angebot haben verkauft sich tausendmal besser als unsere CDs“

„Ok, und eure Demos, wer produziert die?“ fragt er mit Blick auf den Karton „Grounded„- und „Postcard„-CDs, die wir zum Verkaufen mitgenommen hatten.

„Unsere Alben„, sagte ich und betonte das letzte Wort, so dass überhaupt kein Zweifel bestand, worum es sich handelte, „produziere ich selbst.“

Mr. Big nickte verständnisvoll. „Und Management? Habt ihr das?“ fragte er. 

Wir verneinten.

Natürlich hätte ich antworten sollen: „Wir haben zwar kein Management, aber dafür haben wir einen Kirchenchor“. Die besten Antworten fallen einem immer erst 10 Jahre später ein… (Das Bild zeigt Laura und mich [links] und den Kirchenchor ‚Chornelimünster‘ bei den Aufnahmen einer Chorpassage für ‚Stupid Summer Dreams‘)

Mit einem Ruck stand er auf. „Ok, passt auf…“. Er packte je eine von unseren CDs und legte uns 50 Euro hin. „Behaltet den Rest. Ich nehme an, da steht eure Kontaktadresse drin?“

Etwas perplex nickten wir. „Gut, ich habe leider wenig Zeit… aber ich melde mich bei euch. Ich denke, ich kann ziemlich viel für euch tun“. Und damit verließ er eiligen Schrittes die Location. Ich ging davon aus, dass wir ihn nie wieder sehen würden. Ich lag falsch.

(Fortsetzung folgt)


(1) Alle Namen, ausser die der Bandmitglieder selbst, wurden von mir geändert

(2) Für die notorischen Nicht-Musik-Klicker: Laura war von 2004 bis 2009 meine musikalische Partnerin. Erst „nur“ Sängerin bei Botany Bay, unterstützte sie mich nach Veröffentlichung unseres Albums „Grounded“ mehr und mehr bei der Produktion und im Songwriting und überzeugte mich davon, dass wir auf die Bühne müssen. Ausserdem spielte sie im Studio und live Klavier und Synthesizer.


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