Die Würfel sind gefallen

Nachdem ich frevelhafter Weise nun schon im Fediverse seit ein paar Tagen die Katze aus dem Sack gelassen habe…

Post by @stephan@sonomu.club
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…wird es höchste Zeit, auch hier endlich ein paar Worte zu meinem nächsten Album zu verlieren, und wie es zu dieser Entscheidung kommt.

Wie die meisten von euch ja wissen, habe ich im Moment zwei Alben am Entstehen:

  • ein Konzeptalbum mit dem Arbeitstitel “Sanctuary“, in dem es um den Gnadenhof geht, an dem ich nun seit 5 Jahren ehrenamtlicher Helfer bin, und
  • ein anderes Album mit Songs und Instrumentals, die immer mal wieder spontan entstanden und die sich bislang hauptsächlich mit dem augenblicklichen Zustand der (Menschen-) Welt beschäftigen.

Ich habe sehr lange überlegt, welches Album ich nun fertigstellen und veröffentlichen soll. Im Endeffekt halfen mir dann “Malers Hüs” und ein paar Beobachtungen dabei, meine Entscheidung zu treffen.

Es ist gar keine Frage, Sanctuary wäre der logische nächste Schritt nach Malers Hüs.

Sanctuary würde groß, herrlich, ausgefeilt und wunderschön werden, aber es ist mir einfach zu viel Druck, dieses Album zu veröffentlichen.

Entwurf für das Cover von "Sanctuary"

Ja, es ist Druck von mir selbst, aber es ist trotzdem Druck, und ich kann es nicht ändern.

Malers Hüs war besser als alles, was ich vorher veröffentlicht habe, und trotzdem war es dieses Mal sehr schwierig, das Album irgendwie an den Mann zu bekommen.

Sanctuary wäre nochmal vielviel toller, und es hängt sehr viel Herzblut von mir drin, insbesondere, weil es direkt mit all den Seelen zu tun hat, die mir in den letzten 5 Jahren so sehr ans Herz gewachsen sind.

Aber: Es würde mir dasselbe brechen, würde ich dieses Album nun veröffentlichen und die Reaktionen darauf wären einmal mehr hauptsächlich das Zirpen der Grillen.

Doch während die Tatsache, dass ich nur sehr wenige feste Fans habe, ein Fluch für Sanctuary ist, ist es für meine andere potentielle Veröffentlichung ein wahrer Segen. Denn was mir (nun schon seit Jahren) vorschwebt, wäre mit einer Menge Fans schlicht logistisch nicht machbar:

Das Offline-Album.

Content Marketing mit Schall und Stille!

Die Idee dazu spukt mir schon länger im Kopf herum, und ich denke, es ist an der Zeit, das Experiment nun auch tatsächlich zu wagen.

Es ist eine inzwischen allgemein bekannte Tatsache, dass das Veröffentlichen von Musik im Internet – insbesondere für eher introvertierte Menschen wie mich – gleichermaßen entmenschlicht wie entmenschlichend ist.

Will man gehört werden, so geht es nur noch darum, die Algorithmen der diversen vermeintlich sozialen Netzwerke auszutricksen und koste was es wolle möglichst viele “Conversions” (==User klickt auf den Link) zu erzeugen.

Selbst in Nischen-Kreisen wie dem Fediverse gilt es, herauszustechen, am lautesten zu trommeln, die ganze Zeit von sich reden zu machen, auf möglichst vielen Listen zu landen, einflussreiche Leute hinter sich zu bekommen – kurz, alles Tätigkeiten, die mir schlechte Laune machen und die ich eigentlich verachte.

Ich hatte eine regelrechte Erleuchtung, als ich ganz zufällig die Verkäufe von Malers Hüs gerettet habe.

Nach der Veröffentlichung desselben passierte leider erstmal erschreckend wenig. 20 oder so Leute kauften das Album, aber es gab keinerlei Reviews, kaum Rückmeldungen, und bald herrschte eisige Stille. Ich hatte mir ganz sicherlich mehr davon erhofft.

Dann jedoch sonderte Mikey Shulman, seines Zeichens CEO von Suno, einen solchen unappetitlichen Haufen komplett verkorkster TechBro-Kackscheiße ab, dass ich wirklich sehr wütend wurde und ihm mit einem offenen Brief antwortete.

Vollkommen Im Gegensatz zu meinem Post darüber, dass mein neues Album jetzt veröffentlicht ist, schlug mein offener Brief im Fediverse ein wie eine Bombe:

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183 Boosts und 116 Favs mögen nicht nach viel klingen, doch für ein Nischen-Netzwerk wie das Fediverse und einen mehr oder weniger unbekannten Künstler wie mich sind es eine irrsinnige Menge – und leider auch wesentlich mehr als das, was neue Musik von mir üblicherweise bewirkt (z.B. 6 Likes und 13 Boosts beim Release von Malers Hüs).

Und, oh Wunder, ganz unbewusst hatte ich mit meinem (vollkommen ohne Hintergedanken verfassten und sehr ernst gemeinten) offenen Brief perfekt auf dem Marketing-Klavier gespielt und ordentlich Empörung in meinen Lesern erzeugt, die den Artikel daraufhin eifrig teilten.

Nun rede ich in diesem Artikel ziemlich viel über Malers Hüs, und – oh noch mehr Wunder –, die Leute, die den Artikel lasen, hörten sich das Werk an und stellten fest: Mensch, der Stephan macht ja tatsächlich schöne Musik.

Und einige der Leser kauften nicht nur Malers Hüs, sondern auch noch gleich meinen gesamten Back Catalogue, was schließlich dazu führte, dass ich der Tara Tierhilfe einen für meine Verhältnisse stattlichen Betrag überweisen konnte, obwohl sich Malers Hüs am Anfang echt schlecht verkauft hatte.

Und somit wäre mein Problem eigentlich gelöst!

Ich muss nur nach meinem nächsten Album irgendwie noch mehr Empörung und Aufschrei erzeugen und die Leute austricksen, dass sie auf meine Links klicken.

Ich habe eine ziemlich genaue Ahnung davon wie ich das hinkriege.

Ich drehe ein paar Videos, schreibe ein paar Aufreger über TechBros, versehe das Ganze mit flashy Überschriften, streue suggestive Fragen wie “Ist Schall und Stille der erste Künstler im Fediverse, der XYZ macht?!” ein und mache insbesondere von den Sessions mit den Gastmusiker:innen ein paar geheimnisvolle Fotos, die neugierig machen.

Und so, liebe Kinder, funktioniert das Internet.

Und genau das finde ich total eklig.

Ich möchte bitteschön dass meine Musik gehört wird, weil es einfach schöne Musik ist – und nicht weil ich einen Weg gefunden habe, die Algorithmen auszutricksen, seien es nun die Algorithmen die bei Zuckerberg & Co. die Leser bevormunden oder die Algorithmen, die im Kopf der Leute ablaufen.

Es ist Zeit für die Vollbremsung.

Es ist Zeit etwas vollkommen anderes zu machen.

Deshalb wird das nächste Album von mir nicht mehr im Internet verfügbar sein.

Es wird keine Downloads geben, ich werde nicht in den sozialen Medien irgendwelche Promo-Codes teilen, ich werde nicht darauf hinweisen dass man hier oder dort mein neues Album kaufen kann und man meiner schönen Musik doch bitte bitte bitte bitte bitte eine Chance geben möchte, und ich werde die Leute auch nicht verarschen und manipulieren, damit sie endlich auf den verdammten Link klicken, auf den sie sonst niemals klicken würden.

Strategies Against Algorithms

Mein nächstes Album wird Strategies Against Algorithms heißen, und genau das wird es auch sein: Ein Protestalbum für unsere Zeit. Ein Album, das sich gegen den allgegenwärtigen Empörungs-Wahnsinn im Internet richtet, gegen das grelle Heischen um Aufmerksamkeit, gegen die Mechanismen deren Teil wir alle werden, ob wir es wollen oder nicht.

Und deshalb wird es im Internet auch gar nicht erhältlich sein. Kein Jeff Bezos wird einen Bruchteil eines Cents damit verdienen und kein Mikey Shulman wird sie als Treibstoff für seine Kultur-Vernichtungs-KI harvesten.

Bevor das Internet Musik allgegenwärtig und hochverfügbar machte, war es ein ganz anderes Erlebnis, neue Musik zu finden und zu erfahren.

Musik war Austausch, Kommunikation und Abenteuer.

Ich möchte meinen Hörern dieses Abenteuer gerne zurück geben.

Wer mein neues Album haben möchte, der wird eines von zwei (oder beide Dinge zusammen) tun müssen:

  • mir etwas selbstgemachtes, Kreatives zukommen lassen (das kann ein Gedicht sein, oder ein Bild, oder eine Schallplatte, oder eine Schachtel Kekse, oder was auch immer – eurer Kreativität sind keinerlei Grenzen gesetzt), und/oder
  • mich in meinem Studio am Rande des Naturparks Rhein-Westerwald besuchen und einen Kaffee (oder Tee oder Limo oder was auch immer) mit mir trinken

Gern gesehen ist optional auch noch eine Spende an die Tara Tierhilfe, aber es muss nicht sein.

Dafür gibt’s von mir dann einen USB-Stick mit der Musik darauf, und ein schönes, aufwändig gestaltetes Booklet mit Texten und Illustrationen.

Die Musik auf diesem USB-Stick wird weder über Streaming Services, Bandcamp oder über meine eigene Faircamp Seite verfügbar gemacht werden – und es werden nur diejenigen Menschen in ihren Genuss kommen, die eine der beiden erwähnten Anforderungen erfüllen.

Es fällt mir jetzt schon ein Stein vom Herzen bei dem Gedanken daran, dass ich es dieses Mal nicht ertragen muss, zuzuschauen, wie mein neuer Content im Internet performt.

Vor allem aber freue mich schon irrsinnig darauf, euch und eure Kreativität kennenzulernen!

Ausblick

Bis es soweit ist, werden noch ein paar Monate vergehen. Ich schätze, dass ich im Herbst soweit sein werde.

Und natürlich werde ich im Internet nicht ganz dazu schweigen; ich werde die Idee weiter vorstellen und bewerben und vielleicht wird es auch ein kleines Teaser-Video geben.

Aber danach, wenn es einmal soweit ist, seid ihr auf euch allein gestellt. Ob ihr den Weg beschreiten wollt oder nicht, das wird allein euch überlassen sein – und es wird nichts mit empörten Klicks, empathy farming, neurolinguistischer Programmierung oder was auch immer zu tun haben.

Ich weiss, ich werde mit dieser Idee nicht die Welt erobern, und schätzungsweise wird es mein Album mit der allergeringsten Verbreitung ever werden.

Aber diejenigen, die sich darauf einlassen, werden nicht enttäuscht werden.


Kommentare

2 responses to “Die Würfel sind gefallen”

  1. Ich freu mich drauf!

    1. stephan avatar

      🙂 Ich mich auch!

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