Liebe Digital Natives,

Ich war heute doch noch mal kurz auf Twitter.

Da tobt ihr, und empört euch, und seid traurig und besorgt, dass euer Spielplatz jetzt Elon Musk gehört. Sagt, dass man etwas dagegen tun muss. Dass man diesen Menschen boykottieren muss. Dass jetzt alles ganz schlimm wird. Und so weiter und so fort.

Sorry, dass ihr’s von mir erfahren müsst: Es gibt überhaupt keinen Grund, sich aufzuregen. Es gibt noch weniger Grund, traurig zu sein. Und ganz davon abgesehen habt ihr das alles selbst verbockt.

Ihr.

Das Internet ist nicht Twitter, TikTok und was weiß ich wie sie alle heißen. Auch wenn es schwieriger geworden ist – das Internet ist das, was ihr daraus macht.

Es existieren genug offene Lösungen, um euer eigenes Ding durchzuziehen. Früher gab es Blogs, RSS-Feeds, jede Menge kultige kleine Seiten, die ganz individuell waren.

Ihr habt das kaputt gemacht. Nicht Elon Musk, nicht Mark Zuckerberg, nicht die chinesische Regierung.

Ihr.

Als ihr euch wie die Blöden auf sogenannte „soziale“ Netzwerke gestürzt habt.

Als ihr aufgehört habt, Blogs (wie dieses hier) zu lesen.

Als ihr jeden auch noch so blöden Trend mitgemacht habt.

Als ihr euch nicht voller Abscheu und Ekel verabschiedet habt, als die sogenannten „sozialen“ Netzwerke sponsored posts und verified accounts einführten und euch bis zum Anschlag Werbung in den Hals drückten.

Ihr habt jetzt zwei Möglichkeiten.

Ihr könnt auf die nächste große Company reinfallen und Leute reich und Regierungen mächtig machen und euch dann wundern, warum einzelne Menschen so viel Macht über alles haben.

Oder ihr nehmt einfach verdammt noch mal wieder selbst die Zügel in die Hand.

Es gibt offene Plattformen. Es gibt quelloffene Blogging-Software. Es gibt immer noch RSS-Reader. Es gibt sogar ein offenes youtube. Es gibt jede Menge Möglichkeiten, sich selbst einzubringen, ohne irgendeine reiche Arschgeige noch reicher zu machen.

Auf der anderen Seite, wenn ihr unbedingt jemandem gehören und folgen wollt, dann ist euch eventuell einfach nicht zu helfen. Weiß auch nicht. Die Zeit wird es zeigen.


Kommentare

10 Antworten zu „Liebe Digital Natives,“

  1. Ich bin mal wieder sowas von 100% bei Dir!
    Aber verdummt der Mensch nicht in seiner Bequemlichkeit? Und schiebt die Schuld immer auf die anderen? Und hebt den A**** erst, wenn´s gar nicht mehr anders geht?
    Ich versuche z.B. schon seit Jahren, Bekannte und Freunde davon zu überzeugen, statt WhatsApp Signal zu benutzen. Man hat hunderte von Apps auf dem Smartphone. Aber Signal? „Brauch ich doch nicht“ … 🙁

    1. Jaaa, die Bequemlichkeit… die funktioniert aber tatsächlich auch andersrum. Ich hab auch jahrelang Mark Zuckerberg & Co. die Schuld gegeben, dass das reiche, kreative und quirlige Internet aus den Pionierzeiten nicht mehr existiert. Ist aber zu einfach. Tatsächlich liegt es eben auch an den Leuten, die das alles unhinterfragt mitmachen, die sich gerne berieseln lassen.

      Dann stellt sich natürlich die Frage, was macht man. Reguliert man alles durch und schaut dass man Leuten wie Zuck & Konsorten das Handwerk legt, oder lässt man die Leute in ihr Verderben laufen und hofft, dass sich Inseln bilden, wo die Kreativität und der gesunde gegenseitige Austausch wieder funktionieren? Mittlerweile bin ich beinahe geneigt, letztere Herangehensweise zu bevorzugen.

      Und genau so halte ich es auch mit WhatsApp vs. Signal… mit den (in Ermangelung eines anderen Wortes) „Vernünftigen“ kommuniziere ich über Signal. Mit den anderen halt über WhatsApp, da lasse ich aber keinen Zweifel daran, dass ich es scheiße finde, und dass eine „told-you-so“-Orgie von mir droht, wenn es endlich als das auffliegt, was es ist…

  2. Avatar von Maik popaik
    Maik popaik

    Finde ich zu kurz gedacht. Analog könnte man die Argumentation auch auf dem Kapitalismus anwenden, und dass die Arbeiterschaft selbst Schuld an allem ist.
    Die Plattformen haben in der Situation erkannt, was Menschen wollen. Online austauachen, ohne echte Hürden oder sichtbare Bezahlung. Dass nun dreist reiche Menschen ihre Hände danach ausstrecken ist eigentlich längst überfällig.
    Was Mäßnahmen der Masse nicht hinfällig macht! Oder machen würde. Am Ende steht immer Bequemlichkeit im Weg. Immer.

    1. Klar polemisiere ich hier ein ganz kleines bisschen. Aber ich denke, nachdem ich jetzt beinahe ein Jahrzehnt lang vor den Gefahren der diversen Dauerwerbesendungen im Netz gewarnt habe, darf ich das.

      Dieses Blog und seine diversen Vorformen hatten mal an die 50 Leser. Nicht viel, ich weiss, aber ich war zufrieden. Ich bin jetzt auf fünf runter, ohne dass der „Content“ irgendwie schlechter geworden wäre. Und wann immer ich den Leuten von damals auf FB, Insta & Co. begegnete und meine Meinug kund tat dass sie dort das Produkt und nicht der Kunde sind und dass das eines Tages ganz übel schief gehen wird, dann kam so was wie „ja Du hast ja recht, aber was will man machen?“ zurück – und das teilweise von Leuten, die früher selbst Blogger und selbst traurig über die Entwicklung waren (stimmt’s, E. v. E?)

      Riecht das dann nicht allmählich ein bisschen nach selbstverschuldeter Unmündigkeit? Ich halte es da im Prinzip mit Kant, Sapere Aude! So ein bisschen Aufklärung wäre in unserem Zeitalter vielleicht mal wieder angebracht.

  3. Neue kleine Alternativen sind immer nur gut, solange sie neue kleine Alternativen sind. Alternativen zu Palmöl, Alternativen zu Massentierhaltung, Alternativen zu industrieller Hochleistungslandwirtschaft, Alternativen zu Verbrennungsmotor, alle versagen, wenn man nur die Frage stellt „Okay, und was passiert, wenn das jeder nutzt?“

    Mastodon hat keinerlei Abwehrmaßnahmen gegen Gewalt, Rassismus, Lügen und Hass. Es gab einfach niemals Notwendigkeit für solche Strukturen. Und das liegt nur daran, dass es nur eine kleine unbedeutende Alternative ist. Wenn das jetzt wegen Musk durchstarten sollte – was ich absolut bezweifle – dann wird das Ganze in sich zusammenfallen. Die Serverbetreiber können die Moderation nicht stemmen, das sind einfach Admins, die in ihrer Freizeit mit ihrem privaten Geld einen Dienst am Laufen halten, das sind keine Moderatoren, das können die nicht stemmen. Rassisten werden dann auch eigene Server betreiben, die alle anderen händisch aus der Föderation aussperren müssten (aber nicht tun, weil wann sollen sie das tun, neben dem Betrieb ihrer Instanz und neben ihrem Brotjob, und leben wollen sie ja auch mal), und im Gegensatz zu Twitter wird keiner für diese Arbeit bezahlt, sondern macht alles nur aus bewundernswerter ideologischer Motivation in der Freizeit. Das ist toll, aber Ideologie skaliert nicht.

    Dass es nicht durchstarten wird, liegt auch daran, dass das – ideologisch sinnvolle dezentrale – Konzept für einen Einsteiger völlig undurchsichtig ist. Welche Server kann ich wählen, wie unterschieden sie sich, woran erkenne ich einen, der für mich gut oder schlecht ist, wo bekomme ich Übersicht und Hilfsinformationen. Ja, irgendwo da draußen ist diese Info. Ein normaler Mensch hat nicht die Lebenszeit übrig, um sich da tagelang einzulernen. Und es wird nicht durchstarten, weil die Admins bei größeren Installationen wie Digital Courage jetzt schon mit den Anmeldungen völlig überlastet sind und es Bearbeitungszeiten von mehreren Stunden gibt.

    Ansonsten habe ich mir mehrere Freunde auf Mastodon Servern angesehen und wie Unterhaltungen dort ablaufen. Ja, sachlich und unaufgeregt. Kennst Du noch „Zwei Stühle, eine Meinung“ von RTL Samstag Nacht? „Bleiben Sie dran – ich pfeif auf Sie.“

    Ja, diskutieren ist auf Twitter nicht mehr möglich. Aber ich habe eine Auswahl von Leuten, die mir die für mich wichtigsten Themen der Welt mit guten Quellen nahe bringen. Wer hyperventiliert, wer hasst, wer schreit, der ist in 2 Klicks aus meiner Twitter Welt raus. Damit komme ich gut klar. Wenn man den Fehler begeht, aktiv nach Kacke zu suchen, dann muss man sich auch nicht beschweren, dass der Geruch nicht angenehm ist. Das ist bei Blogs kein Unterschied, ich bin sicher, Du kannst in Sekundenfrist schreckliche Blogs finden, wenn Du willst.
    Twitter ist für mich also eine von mehreren wichtigen Informationsquellen. Das könnte ich bei Mastodon erst bekommen, wenn es durchgestartet ist…. und damit ebenfalls kaputt.

    RSS Reader sind nicht verschwunden, sie sind weiterhin genau dort, wo sie früher waren. Sie haben sich auch nicht von selbst deinstalliert durch die Anmeldung bei Twitter und Facebook. Die Menschen haben sie selbst weg geschmissen. Warum fragt sich niemand der Content Creator, warum das so ist? Weil die Antwort auf sie selbst zeigt. Von den Blogs, die ich früher las, gibt es einfach keine mehr. Die Creator haben sich selbst gecancelt. Sie schließen Blogs, sie depublizieren Artikel, sie vernichten aktiv ihren Inhalt, oder die Inhalte gehen kaputt, weil das Blog ungepflegt ist und man keine Lust hat, nach einem Update nach Fehlern zu suchen und sie zu beheben. Auf Hinweise gibt’s nicht mal Reaktionen, oder höchstens ein „wen interessiert das noch“. Ja, Henne-Ei very much. Wenns die Creator nicht mehr interessiert, warum sollte es die Besucher dann? Alleine, um hier zu sein, musste ich echt auf Zack sein und mit bekommen, welches Deiner Blogs gerade noch bedient wird, nicht mehr gepflegt wird, kaputt gegangen ist oder plötzlich eingestellt wurde und alle seine guten Inhalte verbrannt sind.

    Und wenn ein Blogbetreiber seinen Bloglesern dann erzählt, wie dumm alle Menschen doch sind, weil sie keine Blogs lesen… ja, gut, zähls Dir an 2 Fingern ab.

    1. Zu „Mastodon hat keinerlei Abwehrmaßnahmen gegen Gewalt, Rassismus, Lügen und Hass. Es gab einfach niemals Notwendigkeit für solche Strukturen. Und das liegt nur daran, dass es nur eine kleine unbedeutende Alternative ist.“:

      Nein.

      Ganze Instanzen können deföderiert werden, wenn sie beispielsweise rechte Kackscheiße verbreiten. Die meiste Instanzen haben einen Code of Conduct, an den sich die User halten.

      Vernünftig geführte Instanzen haben Admins und zusätzlich Moderatoren, die sich um so etwas kümmern – keine Bots, und keine Call Center in Indien.

      Klar, Du kannst Pech haben, und auf einer Instanz landen, wo sich die Nazis und Querdenker tummeln. Dann heißt es, nichts wie weg von dort und zu einer Instanz wechseln, die moderiert und administriert ist.

      Siehe auch hier:
      https://bonn.social/@Sascha/109250404711859624

      und hier:
      https://www.theverge.com/2019/7/12/20691957/mastodon-decentralized-social-network-gab-migration-fediverse-app-blocking

      Ja, das ist alles – in Wahrheit nur ein kleines Stückchen – komplizierter als Twitter und Facebook. Aber die Welt ist eben auch leider ein kleines Stückchen komplizierter, als uns Facebook und Twitter glauben machen wollen.

      Was Deine anderen Punkte betrifft… wir könnten den ganzen Tag hin und her schreiben und uns vermutlich nicht einig werden. Die Zeit wird zeigen, wo das alles hinführt.

      1. > „Nein. Ganze Instanzen können deföderiert werden“

        Hierzu möchte ich der Vollständigkeit halber anmerken, dass ich das selbst erwähnt habe: „Rassisten werden dann auch eigene Server betreiben, die alle anderen händisch aus der Föderation aussperren müssten“

        Eine Amputation oder Teil-Lobotomie ist in meinen Augen keine zielführende und skalierbare Strategie, denn das bedeutet, dass rechte Trolle Server strategisch überrennen, eine (falls überhaupt vorhandene) Moderation überlasten und den Server damit aus der Föderation kicken können. Social DoS Angriffe sind jetzt wirklich nichts neues mehr.

  4. Grundsätzlich unterschreibe ich die Aussagen in deinem post.

    Aber der Mensch ist bequem und ein Gewohnheitstier, das merkst du ja selbst. Er wird erst etwas ändern, wenn die Lage für ihn persönlich (und nicht etwa für die Twitter-Mitarbeiter oder für Minderheiten etc.) unerträglich geworden ist.

    Das sieht man auch an den Stimmen, die nun das Scheitern der Konkurrenz beschwören, denen es woanders zu kompliziert ist, die im Prinzip schon gerne weg würden aber ihre Follower sind hier und nicht dort… es wird immer einen Grund geben, solange es noch halbwegs erträglich bleibt.

    1. Ich bin ja jetzt schon ein bisschen länger auf Mastodon (und vermisse Twitter wirklich kein Stück), und es fällt schon auf, wie viele Menschen jetzt da drüben aufschlagen, weil einerseits ihre persönliche Schmerzgrenze (jetzt endlich!) erreicht ist; andererseits fordern aber etliche von ihnen nun (mitunter lautstark) ein, dass alles gefälligst ganz genau so funktionieren soll wie im Vogelkäfig. Spricht dafür, was Du sagst. Die Menschen gehen, wenn ihr persönliches Limit erreicht ist. Und sie hätten trotzdem gerne das alles so bleibt wie sie es kennen.

      Und dann gibt es noch Leute wie beispielsweise Ralph Ruthe, die wenigstens ganz ehrlich sind, und zugeben, dass sie drüben beim Kackvogel mehr Menschen erreichen und deshalb hauptsächlich dort stattfinden:

      Das ist auf der einen Seite verständlich und nachvollziehbar für ihn, aber natürlich auf der anderen Seite die etwas traurige Selbstoffenbarung, dass man eine Geisel ist, und ein Sklave des Systems.

      Muss jeder für sich entscheiden, wie sehr er das sein mag.

      Ich persönlich war auf jeden Fall schon lange nicht mehr so zufrieden und glücklich damit, „anders“ zu sein und zu den Freaks zu gehören, die irgendwas komisches machen, das keine Alternative ist, oder eh dem Untergang geweiht ist oder was auch immer.

      (und die ganz, ganz, jungen Kollegen meiner Frau währenddessen, die verstehen die ganze Aufregung gar nicht; Twitter ist ihnen zu viel Text, sie sind auf Instagram und auf TikTok und das funktioniert doch alles wunderbar und die Werbung und die Algorithmen, das sei doch normal und nichts Schlimmes, und was davon aus China kommt, das ist ihnen egal; bis der ganze Zirkus von vorne losgeht)

      Wie ich schon im Artikel schrieb, vielleicht ist den Menschen auch einfach nicht zu helfen. Ich für meinen Teil freue mich, wenn ich noch eine Weile anders sein darf.

  5. Seit mir Menschen gesagt haben, sie könnten diese und jede Musik nicht anhören, weil sie nicht in iTunes sei, weiß ich: Das alte Internet ist tot. „Haben Sie die Obi-App?“, fragt mich die Frau jedes Mal im Baumarkt an der Kasse und ich schüttle nur den Kopf, weil sie auch nicht die Person ist, mit der man darüber diskutieren müsste.

    „This is the end of the world as we know it”, soweit bin ich bei R.E.M., dann nicht mehr: „and I feel fine.“

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