Als wir Anfang 2020 zusammen mit unseren beiden Hunden, Buba K. und Candor K., zum Urlaub auf unserer geliebten Nordseeinsel Föhr weilten, da war ich durchaus schon längst an einem Punkt in meinem Leben angekommen, an dem mir bewusst war, dass nichts selbstverständlich ist und/oder ewig währt.
Der Tod meiner Eltern, die Pleite diverser Firmen, die Rezeption von „Thanksgiver“ und das aus alledem resultierende massenhafte Abwandern von vermeintlichen „Freunden“ und Fans, für die ich nur interessant gewesen war, solange es mir gut ging – all dies hatte mir das Konzept der Vergänglichkeit überdeutlich vor Augen geführt.
Trotzdem war unser Urlaub damals einer wie jeder andere auch gewesen. Klar, wir waren älter geworden, unsere Hunde waren älter geworden, und es gab erste Gerüchte von einer neuartigen Krankheit… aber das alles war weit, weit weg von uns. Noch waren wir fit, die Hunde auch, die neuartige Krankheit erinnerte damals eher an den sprichwörtlichen Sack Reis in China, und wir würden jederzeit wieder kommen können, wenn uns der Sinn danach stand, richtig?
Wieder zuhause stand erstmal unser großer Umzug in unser eigenes Zuhause an. Eigentlich sehr ungern hatten wir uns von einer einzigen, egoistischen Person aus unserer geliebten Burg am Waldrand von Rhöndorf vertreiben lassen, aber die Aussicht, nun endlich etwas Eigenes und unsere Ruhe in einem wunderschönen alten Fachwerkhäuschen zu haben, erfüllte uns mit großer Hoffnung und Zuversicht.
Doch als es schließlich so weit war, da fingen die Dinge an, vollkommen falsch zu laufen – gerade so, als hätte ein nicht besonders einfallsreicher Science-Fiction-Autor einmal zu viel den Sprung ins Paralleluniversum bemüht.
Es begann mit dem Umzug selbst, den wir im ersten großen Lockdown nur zu zweit und ohne Helfer bestreiten mussten. Da wir von einem Ort wegzogen, der auf einem Berg im Wald lag und sich nur über einen nicht befahrbaren 300m weiten Fußweg erreichen ließ, war dies keine einfache Angelegenheit und brachte uns beinahe schon ans Ende unserer Kräfte.
Weiter ging es mit der traurigen Erkenntnis, dass wir mit unserem Zuhause vom Regen in die Traufe gekommen waren. Wieder waren es einige wenige egoistische Personen, die uns den Anfang im neuen Zuhause so schwer wie möglich machten.
Es folgte Schreckensmeldung auf Schreckensmeldung. Unser neues altes Haus brauchte eine Reperatur nach der anderen, während Putins Angriffskrieg auf die Ukraine die Inflation und insbesondere die Gaspreise explodieren ließ (und natürlich wird unser Haus mit Gas beheizt).
Bei Frau K.’s damaligem Arbeitgeber war derweil die Atmosphäre (wieder aufgrund einer einzigen, egoistischen Person) vollends unerträglich toxisch geworden, mein eigener Arbeitgeber (für die neuen Leser: Tierschutz und Musik sind eine tolle Berufung, aber zum Geld verdienen bin ich auch noch Softwareentwickler) war gerade in die Insolvenz gerutscht… unsere ganze Zukunft sah immer mehr und mehr mau aus.
Urlaub auf der Insel war schon an diesem Punkt zu einer unwirklichen Erinnerung aus längst vergangenen Zeiten geworden.
Dann wurde Candor K., unser Schäferhund-Mix schwer kank. So schwer krank, dass es einerseits nicht sicher war, ob er überhaupt überleben würde, und wir andererseits gleich mehrere Male den doppelten Preis beim Tierarzt zahlen durften (Sie wissen schon, für Noteinsatz in der Nacht und am Wochenende). Es war nun Anfang 2022, und wir vier nochmal zusammen auf der Insel, das war nun endgültig nicht mehr vorstellbar, weder finanziell noch gesundheitlich noch sonst irgendwie.
Jetzt ist es ein Jahr später, und letzte Woche habe ich von Candor obiges Portrait bei einem Strandspaziergang im Sonnenaufgang nahe des Goting-Kliffs auf Föhr gemacht (ebenso, wie alle anderen Bilder in diesem Artikel aus den letzten zwei Wochen sind).
Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was es für uns bedeutet, wieder zu viert hier auf der Insel zu sein, und dies nochmal zusammen erleben zu dürfen. Es ist beinahe, als hätten wir den Sprung in diese ganz andere Welt, aus der wir in den letzten drei Jahren herausgerissen worden waren, zumindest teilweise wieder geschafft.
Candor ist zwar nicht jünger geworden – aber er ist wieder gesund genug, um eine solche Reise mit uns nochmal unternehmen und genießen zu können. Sowohl Frau K. als auch ich haben neue und nette Arbeitgeber gefunden, bei denen (respektive) nicht jeder neue Feierabend einen verzweifelten Heulkrampf mit sich bringt oder es auf Messers Schneide steht, ob im nächsten Monat das Gehalt noch gezahlt werden kann. Und auch wenn wir um den Zauber gebracht worden waren, der einem Anfang – frei nach Hermann Hesse – eigentlich verdammt noch mal innewohnen sollte, so lässt es sich in unserem neuen Zuhause inzwischen durchaus gut leben.
Aber am allerschönsten ist es, wieder hier auf der Insel zu sein; vielleicht, weil unser Aufenthalt hier sich wie die physische Manifestation der Tatsache anfühlt, dass noch lange nicht alles vorbei ist, und dass die schönen Momente auch zurück kommen können.
Und natürlich haben wir uns den Zeitpunkt unseres Inselaufenthalts ganz gezielt ausgesucht – denn jedes Jahr am 21. Februar findet im Norden, und so auch auf der Insel, das sogenannte Biikebrennen statt: Ein traditionelles Volksfest, bei dem große Feuer aus Baumbeschnitt, Weihnachtsbäumen, Gestecken und allem möglichen anderen Holz angezündet werden, um (je nachdem, wem man Glauben schenken möchte) böse Geister zu vertreiben und/oder den Winter zu verabschieden.
An vielen Orten dieser Welt würde man einen solchen Brauch zur Touristenattraktion mit Bratwurstbude und ekliger Uftata-Beschallung machen. Aber nicht so in dem kleinen Dorf, in dem wir untergekommen waren. Hier konnten wir einfach so am Abend zur Lichtung hinter dem Wäldchen am Strand hinauslaufen, uns zusammen mit den Einheimischen direkt vor die viele Meter hohe Feuersäule stellen, ein mitgebrachtes Bierchen trinken und leibhaftig spüren, wie all der Ärger, der Stress, die Krankheiten, die Ungerechtigkeiten, der Egoismus, die Rücksichtslosigkeiten und die Unverschämtheiten der letzten drei Jahren vom Feuer verschlungen und vom Wind davon getragen wurden.
Wieder zuhause, wo ich diese Zeilen schreibe, holen einen die Probleme natürlich schnell wieder ein. Auseinandersetzungen, die man sich lieber sparen würde; Menschen, die einen enttäuschen und lästige Pflichten, die man erfüllen muss… das Leben kann unerbittlich sein.
Und dennoch, ein ganz kleines bisschen Magie haben wir uns mitgenommen. Das fällt mir insbesondere auf, wenn ich mir die Demos anhöre, die ich auf Föhr aufgenommen habe, und die jetzt schon einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen haben.
Denn wieder hatte ich mein kleines mobiles Aufnahmestudio dabei, das letztes Jahr im Hundehaus im Reinhardswald sein Debut feierte – nur dieses Mal hatte ich statt eines Drumcomputers den Korg minilogueXD im Gepäck, einen kleinen aber feinen Analog-Synthesizer, der den großen Vorteil hat, einerseits sehr transportabel zu sein und andererseits sehr feine und einzigartige klanggeestalterische Möglichkeiten zu bieten.
Ganze 10 neue Demos (mit insgesamt 14 neuen Sounds auf dem minilogueXD) sind auf der Insel entstanden. Darunter sieben Stücke, die vermutlich instrumental bleiben werden – und drei Stücke, aus denen irgendwann richtige Lieder werden könnten, vorausgesetzt ich finde die richtigen Leute dafür.
Denn die ganze Reise war auch eine richtig gute Übung darin, mich selbst wieder zu finden. Die Insel und die Landschaft, insbesondere im kargen Winterwetter, laden einen dazu ein, sich mit dem Großen und Ganzen zu beschäftigen, und mit dem eigenen Platz darin. Das ist mir mehrfach aufgefallen, und ich habe mich nicht dagegen gewehrt.
Was dabei herausgekommen ist: Einmal mehr Musik, auf die ich sehr stolz bin. Und die Erinnerung an eine Zeit auf der Insel, wo wir dieses Mal wirklich jede einzelne Minute bewusst erlebt haben.
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